Der Hamburger Volksentscheid ist ein Ausrufezeichen. "Klimaschutz? Interessiert doch niemanden mehr!" – diese oft wiederholte Behauptung ist widerlegt. Das Thema bewegt viele Menschen: Über eine halbe Million Wahlberechtigte haben in Hamburg abgestimmt.
Zu hoffen ist, dass die Klimaschutzbewegung nun auch in anderen Bundesländern zum Werkzeugkasten der direkten Demokratie greift. Auf Bundesebene bleibt ihr dieser Weg verschlossen. Vor Gericht hingegen haben Klimaschützer bereits zahlreiche Erfolge erzielt. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 hat der Klimaschutz sogar Verfassungsrang. Und doch reagiert die Politik nur zögerlich auf die Verpflichtung, die Erderwärmung zu begrenzen.
Ein Grund dafür: Abgeordnete stehen unter erheblichem Lobbydruck. Bundeswirtschafts- und Energieministerin ist heute eine Frau, die noch vor Kurzem in der Gasindustrie tätig war und die die Energiewende zurückdrehen will. Die CDU wiederum übernimmt ganze Passagen der Automobilindustrie in ihre Programme. Fossile Interessenvertreter an jede Haustür zu schicken, fällt da ungleich schwerer. Abstimmungen, bei denen viele Bürgerinnen und Bürger und nicht nur wenige Abgeordnete mitbestimmen, sind von dreister Lobbyarbeit nicht so einfach zu unterwandern.
Wer wollte es also Menschen verdenken, die sich Sorgen um die Folgen der Erderwärmung machen, wenn sie auch andernorts Volksinitiativen starten? Die Hürden dafür sind unterschiedlich hoch. Der Verein "Mehr Demokratie" veröffentlicht alle vier Jahre ein Ranking, das zeigt, wie bürgerfreundlich die direktdemokratischen Verfahren in den Ländern gestaltet sind. Hamburg liegt an der Spitze. Doch auch andere Länder schneiden passabel ab, darunter Bayern.
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Selbst im Musterland Hamburg war der Weg steinig. Um als Volksinitiative anerkannt zu werden, mussten mindestens 10.000 Menschen innerhalb von sechs Monaten den "Hamburger Zukunftsentscheid" unterschreiben. Für den nächsten Schritt, das Volksbegehren, waren noch einmal mehr als 65.000 Unterstützer nötig – innerhalb von nur drei Wochen. Es kamen über 100.000 Unterschriften zusammen. Das war vor gut einem Jahr. Am 12. Oktober 2025 schließlich erreichte der Volksentscheid das Quorum: Deutlich mehr als 262.000 Hamburgerinnen und Hamburger stimmten mit Ja, nämlich über 300.000.
Das zeigt: Klimaschutz war über Monate ein Thema, das die Stadtgesellschaft bewegt hat. Die Menschen konnten mitreden, mitentscheiden – und sie taten es. Es ging eben nicht um leichtfertige, milliardenteure Luftschlösser, wie die Gegner des Volksentscheids behaupteten.
Ja, Klimaschutz kostet Geld und verändert den Alltag. Die Klimakrise aber kommt uns ebenfalls teuer - ebenso wie die Importe von Kohle, Öl und Gas. Aber zu oft bleibt die Klima-Debatte abstrakt. Es geht um Fristen, Zahlen, Reduktionsziele. In Hamburg wurde sie konkret: Kommt flächendeckend Tempo 30 in der Stadt? Wie heizen wir künftig? Wer zahlt für energetische Sanierungen, Mieter oder Vermieter? Was wird aus dem Gasnetz? Diese Fragen wurden offen diskutiert. Die Initiatoren des Zukunftsentscheids haben der Stadtgesellschaft zugetraut, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Das stärkt nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die Demokratie.