Fragen Menschen beim Deutschen Wetterdienst nach, wenn es im Juli kühl und regnerisch ist oder wenn es im Februar morgens doch einmal minus acht Grad hat: "Wo bleibt er denn, der Klimawandel?"
Andreas Walter: Ja, das kommt vor. Manche nutzen diese Frage bewusst, um ihre These zu stützen, dass es den menschengemachten Klimawandel überhaupt nicht gebe. Das ist auch immer wieder in den sozialen Medien zu beobachten, wo entsprechende Behauptungen durchaus Verunsicherung stiften können. Das Wetter ist eben ein Thema, das alle beschäftigt und über das geredet wird.
Andreas Walter
Es gibt im Sommer auch immer wieder Empörung darüber, die Wetterkarten seien bei Hitze bewusst tiefrot eingefärbt, um sogenannten Klimaalarmismus zu betreiben …
Als Deutscher Wetterdienst haben wir eine gesetzliche Pflicht, die Bevölkerung vor Wettergefahren zu warnen; Hitze ist eine davon. Dafür gibt es bestimmte, festgelegte Warnkriterien, uns bleibt nicht viel Spielraum. Wenn entsprechende Kriterien erreicht oder überschritten werden, müssen wir eine Warnung herausgeben. Wir können aber nur bedingt beeinflussen, was andere Stellen mit diesen Warnungen anfangen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Neulich wurde ein Robbie-Williams-Konzert in Berlin abgesagt. Wir hatten gewarnt, dass es zu Starkregen kommen könnte; der Veranstalter hat daraus diese Konsequenz gezogen. Trotzdem wird dann immer der Wetterdienst verantwortlich gemacht, wenn eine Familie 600 Euro für die Übernachtung plus 300 Euro für die Karten in den Sand gesetzt hat. Das sind Situationen, in denen wir als Meteorologen offenbar mehr polarisieren als früher. Uns erreichen aber auch Fragen, die nicht ideologiegetrieben sind. Viele Menschen wollen schlicht verstehen, was der Unterschied zwischen Wetter und Klima ist.
Was ist Wetter?
Wetter ist der aktuelle Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort. Es regnet, es stürmt, die Sonne scheint, es ist heiß, warm oder kühl …
Und was ist Klima?
Klima ist die Zusammenschau des Wetters über einen längeren Zeitraum. Die World Meteorological Organization, kurz WMO, also die Weltorganisation für Meteorologie, definiert diesen Zeitraum als mindestens 30 Jahre. Klima ist also das über 30 Jahre beobachtete und gemessene Wetter.
Warum sind es 30 Jahre?
Weil man in der Statistik davon ausgeht, bei einer Grundgesamtheit ab 30 verlässliche statistische Aussagen treffen zu können. Der zuletzt abgeschlossene Referenzzeitraum reicht von 1991 bis 2020, der nächste 30-jährige Zeitraum wird dann 2021 bis 2050 sein. Aber um die Klimaveränderungen beurteilen zu können, müssen wir den Zeitraum 1961 bis 1990 betrachten.
Warum?
Das hat die WMO festgelegt, die Begründung ist logisch: Wir leben bereits im Klimawandel, die globale Durchschnittstemperatur ist schon höher als früher. Würden wir nun einen Zeitraum betrachten, der näher an der Gegenwart liegt – wie eben die Jahre von 1991 bis 2020 –, dann ist das eine Zeit, in der sich das Klima bereits erwärmt hatte. Um Vergleiche ziehen zu können, braucht es einen Vergleichszeitraum, in dem der Klimawandel noch nicht so ausgeprägt war. Sonst würden die Veränderungen verwischen.
Mitte September startet die EKD eine große Klimakampagne und will dafür sensibilisieren, dass wir alle Verantwortung übernehmen können. Auf der Kampagnenseite gibt sie Tipps und Hintergrundinfos zu Mobilität, Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit.
Und hat sich das Klima bei uns verändert?
Ja! Für Deutschland sind sogar seit dem Jahr 1881 ausreichend Daten vorhanden, um Veränderungen des Klimas zu bestimmen. Nach aktuellen Berechnungen ist die mittlere Lufttemperatur im Jahr in Deutschland von 1881 bis 2024 um 2,5 Grad angestiegen. Da gibt es zwar einen Unsicherheitsbereich, aber der Trend ist eindeutig. Die fünf wärmsten Jahre seit 1881 in Deutschland sind alle nach dem Jahr 2000 aufgetreten. Auch im Vergleich zum WMO-Referenzzeitraum 1961 bis 1990 ist es wärmer geworden. Extremwetterereignisse werden in Zukunft zunehmen – und haben auch schon zugenommen.
Wann, wo und auf welche Weise kann man nicht vorhersagen?
Wettervorhersagen entstehen unter anderem mit Hilfe von Modellierungen. Für die kommenden Tage sind sie mittlerweile sehr genau. Aber es ließe sich heute nicht vorhersagen, welches Extremwetterereignis uns beispielsweise im August 2026 droht. Ein wärmeres Klima wirkt sich aufs Wetter aus, das ist klar. Wärmere Luft kann zum Beispiel mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die dann in Starkregenereignissen ausregnen kann. Die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse steigt somit deutlich.
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Wer heute um die 50 Jahre alt ist, erinnert sich vermutlich an mehr heiße als kalte Sommer und denkt: "Der jetzt zu Ende gehende Sommer war so kalt, da kann ja etwas nicht stimmen …" – Aber war dieser Sommer wirklich so kalt, wenn man ihn mit dem WMO-Referenzzeitraum von 1961 bis 1990 vergleicht?
Der Sommer 2025 lag zwei Grad über dem Mittelwert der gültigen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Er war also schon deutlich wärmer. Das trifft selbst gegenüber dem Zeitraum 1991 bis 2020 zu. Verglichen mit dieser Zeitspanne war der Sommer 0,7 Grad wärmer. Vermutlich haben viele Menschen den relativ kühlen und regnerischen Juli in Erinnerung.
Inwiefern hat sich das Klima in Deutschland insgesamt verändert?
Die Anzahl der Tage mit einer Temperatur von mindestens 25 Grad – die sogenannten Sommertage – und die Hitzetage, an denen die Temperatur mindestens 30 Grad erreicht, haben zugenommen, und zwar deutlich. Beim Niederschlag findet eine gewisse Umverteilung statt. Die Jahresniederschlagssumme in Deutschland ist annähernd gleichgeblieben, aber wir haben mehr Winterniederschläge als früher. Und weil die Temperaturen steigen, kommen diese Niederschläge zusehends flüssig runter – als Regen, nicht als Schnee.
Im Sommer regnet es weniger als früher?
Und es gibt lange Trockenperioden, die dann von Starkregenereignissen unterbrochen werden. Wenn viel Wasser auf einmal auf einen sehr ausgetrockneten Boden fällt, fließt das Wasser oberflächlich ab und mindert die Folgen von Dürrephasen nur wenig.
Im Klimawandel zu leben, bedeutet also nicht, dass es gar nicht mehr kalt werden kann?
Wir können auch einen kalten Winter bekommen, das würde den Klimawandel nicht infrage stellen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber geringer als früher. Wir sehen zweierlei: Die durchschnittlichen Temperaturen erhöhen sich, in Deutschland und Europa deutlicher als im globalen Durchschnitt. Und wir haben eine größere Variabilität im Klimageschehen.
Kann man auch sagen: Es gibt stärkere Ausschläge nach oben und unten?
Ja, mit steigendem Mittelwert sind das vor allem deutlich mehr warme Ereignisse und weniger kalte. Aber auch kalte Tage kann es noch geben. Das widerspricht überhaupt nicht den Beobachtungen hin zu immer weiter steigenden Temperaturen. Die kalten Ereignisse treten jedoch seltener auf. Der generelle Trend ist klar: Die Klimaveränderung – auch in Deutschland – wird sich weiter fortsetzen.