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Eine der besten Serien zurzeit findet sich in der Arte-Mediathek: "Unschuldig – Mr. Bates gegen die Post".
Die britische Produktion erzählt eine wahre Geschichte, die man nicht glauben mag, und hat eine ungeheure politische und auch kirchliche Wirkung entfaltet. Über viele Jahre hat die British Post ungezählte Filialleiter zu Unrecht des Betrugs beschuldigt und deren Leben zerstört.
Dabei lag die Schuld bei der Zentrale selbst: Sie hatte eine fehlerhafte Software eingesetzt. Doch anstatt die Gründe für die falschen Abrechnungen bei sich zu suchen, wurden einfache, ehrliche, fleißige Subunternehmer kriminalisiert. Viele mussten immense Strafzahlungen leisten und verloren ihre Arbeit, nicht wenige kamen ins Gefängnis, viele wurden schwer krank, einige nahmen sich das Leben. Es ist dem überaus hartnäckigen, ehemaligen Filialleiter Mr. Bates zu verdanken, dass die Wahrheit ans Licht kam.
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Doch es hat sehr lang gedauert, bis dieser Skandal ernsthaft aufgearbeitet wurde. Die British Post trickste und täuschte, die wechselnden Regierungen zeigten sich desinteressiert. Erst diese großartig erzählte und von wunderbaren, teilweise mir bisher unbekannten Schauspielern gespielte Geschichte bewegte die britische Öffentlichkeit so sehr, dass die Regierung nicht anders konnte, als endlich zu handeln. Die Unschuldigen wurden rehabilitiert, Kompensationen bezahlt. Doch damit konnte das Unheil natürlich nicht wiedergutgemacht werden.
Mich hat besonders ein theologischer Aspekt interessiert. Die Hauptschuldige, die Vorstandsvorsitzende der British Post, war eine anglikanische Priesterin – im Ehrenamt (was in England nicht unüblich ist). Paula Vennells feierte in ihrer Gemeinde regelmäßig Gottesdienste. Zudem arbeitete sie in einem der wichtigsten Kirchengremien mit, das die ethischen Investments der Kirche verwaltet. Von heute aus unglaublich: Sie galt als aussichtsreiche Kandidatin für den Londoner Bischofssitz.
So beobachtet man Vennells in der Serie einerseits bei ihrer verheerenden Vertuschungsarbeit und andererseits bei ihren Gottesdiensten. Das bekommt man nicht zusammen. Wie kann ein Mensch am Sonntagmorgen das Evangelium predigen und zugleich die ganze Woche lang Unschuldige verfolgen, Recht beugen, Lügen verbreiten? Ähnliches soll in der Weltgeschichte schon mal vorgekommen sein, aber hier springt einen der Widerspruch zwischen Glauben und Handeln mit Wucht an. Man fragt sich: Wozu ist der christliche Glaube gut, wenn er eine Gläubige nicht dazu bringt, wenigstens im Ansatz Mitleid für unschuldig Verfolgte zu empfinden und das Gute zu tun?
Die Serie erzählt am Ende, wie Paula Vennells zurücktreten und einen hohen Orden zurückgeben musste. Sie erzählt nicht, wie es mit ihren kirchlichen Ämtern weiterging (denn das geschah nach Drehschluss).
Zur Bischofswahl wurde sie nicht aufgestellt. Das Gremium für ethische Investments musste sie verlassen. Schließlich sorgte der für sie zuständige Bischof dafür, dass sie keine Gottesdienste mehr hält (die Ordination selbst wurde ihr nicht entzogen). Der Vater dieses Bischofs war übrigens in seinem Berufsleben der Leiter einer Postfiliale gewesen.