Möchten Sie sich ehrenamtlich engagieren? In der chrismon-Serie "Ich mach das!" erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt. Hier ein Beispiel aus Bielefeld: Doris Kuhlmann, 75, ist Medienbotin bei der Stadtbibliothek in Bielefeld.
Was machen Sie?
Ich bringe Menschen, die krankheits- oder altersbedingt nicht mehr mobil sind, Bücher, Hörbücher, Filme oder Musik aus der Stadtbibliothek.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Als ich mich informierte, welches Ehrenamt ich in der Rente machen könnte, hatten sich gerade die Medienboten gegründet. Ich habe Literaturwissenschaft studiert und liebe Bücher. Das passte wunderbar!
Wie finden die Leute zu Ihnen?
Interessierte melden sich bei der Bibliothek. Wir übernehmen den Bücherausweis und eine Vollmacht. Beim ersten Besuch versuche ich den Menschen kennen zu lernen: Welche Bücher hat er, welche liest er und braucht er andere Medien? Dann lade ich mir in der Bibliothek die Arme mit allem voll, das passen könnte. Manchmal gibt es konkrete Wünsche, aber meist recherchiere ich selbst.
Welche Eigenschaften muss man als Medienbotin mitbringen?
Leidenschaft für Literatur, Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen – und ein Führungszeugnis. Die Menschen lassen uns ja in ihr Haus. Man sollte mit Medien umgehen können. Und mein Grundsatz ist, auf keinen Fall über die gewünschte Literatur zu urteilen.
Warum machen Sie dieses Ehrenamt?
Lesen ist für mich elementar, ein Kulturgut, ein Menschenrecht. Lesen, das ist Reisen im Kopf. Ich wünsche mir später, wenn ich nicht mehr mobil sein sollte, auch eine Medienbotin.
Wie viele Menschen betreuen Sie?
Aktuell sind es drei. Zusammen mit meinen Aufgaben als Sprecherin der Gruppe sind das etwa drei bis vier Tage Einsatz im Monat. Aber der Zeitaufwand ist nicht für alle gleich: Eine Frau ist seit Jahren bettlägerig und kann sich nicht fortbewegen, die Augen sind aber zum Glück noch gut. Sie liest innerhalb von drei Wochen bis zu 4000 Seiten historische Romane. Für sie bin ich öfter unterwegs. Wenn ich ihr Zimmer betrete, freut sie sich und sagt: "Mein Bücherengel kommt."
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Was kann anstrengend sein?
Wenn Kunden Termine vergessen oder ich rechtliche Betreuer häufiger an das Geld für den Ausweis erinnern muss. In Einrichtungen, zum Beispiel Altenheimen, gehen Medien auch mal auf Wanderschaft und ich muss sie suchen. Ganz selten stimmt die Chemie nicht. Gottseidank sind wir ja mehrere, da kann man in so einem Fall wechseln.
Was war ein schönes Erlebnis?
Ich brachte einer Dame mit Sehschwierigkeiten Bücher in Großdruck ins Altenheim. Andere saßen dabei und waren begeistert. "Dann kann ich ja auch noch lesen", sagte eine Mitbewohnerin und meine Kundin erwiderte: "Aber nicht mit meiner Medienbotin!"
Was hat Sie anfangs überrascht?
Dass uns die Menschen weniger nachfragen als gedacht. Wir suchen noch immer nach Erklärungen. Ein Grund ist wohl, dass wir lange nicht beworben wurden und auch vielen Mitarbeitenden der Bibliothek nicht bekannt waren. Von den Kindern pflegebedürftiger Eltern weiß ich auch, dass es ihnen schwerfällt, diesen "Liebesdienst" abzugeben. Und ich vermute, dass viele ältere Menschen nicht mehr lesen können oder auch Schwierigkeiten haben, für sich etwas zu erbitten. Eine Frau fragte einmal ungläubig: "Sie kommen wirklich nur für mich? Das gibt’s ja nicht."
Haben Sie durch das Ehrenamt auch für sich selbst Literaturtipps entdeckt?
Eine zeitlang betreute ich eine sehr belesene Kundin nach ihrem Aufenthalt auf der Palliativstation. Sie hat mir gleich zwei tolle Autorinnen empfohlen, die ich nicht kannte: Iris Wolf und ihren Roman "Lichtungen" und von Kristine Bilkau "Die Glücklichen".