Donald Trump wird erneut Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er hat die Wahl gegen Kamala Harris klar und deutlich gewonnen. Die erneute Wahl Trumps wirft viele Fragen auf: Warum ist ein Mann mit hasserfüllter Rhetorik in den USA, einem Mutterland der Demokratie, mehrheitsfähig? Warum erhoffen sich viele Menschen ein besseres Leben, indem sie für Trump stimmen, der immer wieder gezeigt hat, um wen es ihm eigentlich geht: um Donald Trump? Es ist eine Wahl voller Widersprüche.
Vielleicht hat schlicht Trumps Talent, Momente für sich auszunutzen, die Wahl entschieden. Als ihn im Sommer eine Kugel am Ohr streifte, rappelte er sich nach dem Attentatsversuch auf und reckte seine Faust gen Himmel. Dazu rief er: "Fight, fight, fight!" Damit wurde er zur Ikone der Rechten.
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Es gibt aber auch Erklärungen für Trumps Wahlsieg, die über diesen Moment hinausgehen und die auch für andere Länder und für Deutschland – bedeutsam sein können: Vielen Menschen scheint die eigene ökonomische Lage wichtiger zu sein als der Fortbestand der Demokratie. Auch wichtiger, als anderen Ländern in Not beizustehen, der Ukraine zum Beispiel.
Inflation und gestiegene Immobilienpreise haben vielen US-Bürgerinnen und -Bürgern zu schaffen gemacht. Sie hoffen, dass Trump die Steuern senkt und die amerikanische Wirtschaft durch Zölle schützt. Experten warnen zwar, Zölle würden die Inflation wieder steigen lassen. Aber das interessiert Trumps Wählerschaft offenbar nicht - ein weiterer Widerspruch dieser Wahl.
Besonders für die politische Linke - auch außerhalb der USA - steckt darin ein Warnzeichen: Seht hin, hört hin! Die Menschen wollen ein gutes, auskömmliches Leben. Sie wollen, dass es ihren Kindern wirtschaftlich besser geht als ihnen selbst. It's the economy, stupid! – Es ist die Wirtschaft, Dummkopf! Das traf schon zu, als Bill Clinton 1993 zum Präsidenten gewählt wurde.
Die Wirtschaft steht vor einer riesigen Transformation in Richtung Klimaneutralität. Dass der Klimawandel eine unleugbare Tatsache ist - auch wenn Trump die Fakten nicht sehen will - hat zuletzt die Unwetterkatastrophe in Spanien gezeigt. Aber die Transformation der Wirtschaft muss sozial gerecht gestaltet sein, sonst werden Trump rechtsextreme Schülerinnen und Schüler auch hierzulande das Thema ausschlachten.
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Paradoxerweise hat ein Multimilliardär die Wahl mitentschieden, der nun dabei ist, ein Steuererleichterungsprogramm durchzusetzen, das ihn noch reicher machen wird: Elon Musk. Mit "X", ehemals Twitter, brachte Musk sein eigenes Netzwerk in Stellung. 87 seiner Posts zur US-Wahl hielten keinem Faktencheck stand, waren also falsch oder irreführend, wie das Center for Countering Digital Hate belegen konnte. Trotzdem wurden sie zwei Milliarden Mal ausgespielt. Auch andere Netzwerke folgen der Logik: Je krasser, je empörender, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt der Inhalt – und desto höher der Umsatz für die Netzwerkbetreiber. Es braucht dringend europäische Antworten auf diese Gefahr: eigene Angebote und eine konsequente Verpflichtung der Anbieter, für Hassbotschaften zu haften. Das hat nichts mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun, sondern ist eine Grundlage, um Freiheit und Demokratie zu erhalten.
Und schließlich ist da Joe Biden, der amtierende US-Präsident. Viel zu spät hat er den Weg frei gemacht für eine Nachfolgerin. Hätte es bessere Kandidaten gegeben? Beispielsweise Josh Shapiro, den Gouverneur von Pennsylvania, der weiß, wie man im "Rust Belt" Wahlen gewinnt? Niemand kann das sicher sagen. Aber klar ist: Weil Biden viel zu spät ein Einsehen hatte, blieb den Demokraten keine Zeit mehr für einen Auswahlprozess. Kamala Harris, die als Vizepräsidentin unbeliebt war und das undankbare Thema Migration beackert hatte – Trump warf ihr auf diesem Feld Versagen vor –, sprang ein und ist krachend gescheitert. Und das, obwohl Donald Trump, 78 Jahre alt, im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit sichtlich gealtert ist und in Wahlkampfreden immer wieder wirr wirkte. Vordergründig ist das ein Problem der US-Demokraten. Aber auch hieraus lässt sich eine Lehre ziehen, vielleicht sogar in Berlin: Neues Personal könnte helfen, sich dem unvermeidlich erscheinenden Rechtsruck entgegenzustemmen, der viele Menschen an diesem bitteren Morgen traurig und ratlos zurücklässt.