Das Christentum in Bildern
Fresko aus dem 15. Jahrhundert von Andrea de Litio in der Kathedrale von S. Maria Assunta, Atri, Italien
Wikipedia
Christliche Kunst
So sinnlich ist das Christentum!
Bilder haben eine enorme Strahlkraft. Durch sie lernt man so viel wie durchs Lesen - vielleicht sogar noch mehr. Und wussten Sie, wo die europäische Skulptur ihren Ursprung hat?
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
04.10.2024
3Min

Manchmal kann man auch als evangelischer Theologe dem Vatikan nur zustimmen. Zum Beispiel, wenn die deutschsprachige Version von "Vatican News" ein neues Buch über die Geschichte der christlichen Kunst empfiehlt.

Dieses Buch habe nämlich zufälligerweise ich selbst geschrieben. Deshalb habe ich mich über die positive Aufnahme im Vatikan gefreut. Es ist auch ein ziemlich katholisches Buch geworden. Ich habe mich von einer Bilderfreude, auch einem Interesse an volksfrommem Kunsthandwerk, ja sogar Kitsch, leiten lassen, wie es sich für einen guten Protestanten eigentlich nicht ziemt. Doch das ist einfach ein Zeichen dafür, was ich beim Schreiben dieses Buches gelernt habe. Das war sehr viel.

Mir ist natürlich als erstes klar geworden, welche ungeheuerliche Bedeutung Bilder in allen Formen haben. Mein Theologiestudium bestand aus der Lektüre und Diskussion von Texten und Texten über Texte. Das hatte seinen guten Sinn, hat mir aber keinen Sinn für die Bedeutung des Ästhetischen im Religiösen eröffnet – darum musste ich mich selbst bemühe. Auch hat es mich nicht vorbereitet für das Bilder-Zeitalter, in das die neuen Medien uns geführt haben.

Das einzige Studienfach, das schon in diese Richtung ging, war das Alte Testament. Bei meinem Lehrer Bernd Janowski diskutierten wir neue Bücher, die davon berichteten, dass es im antiken Israel natürlich Bilder gegeben hatte – das war damals eine Provokation der Fachwelt. Wie viel die biblische Archäologie seither entdeckt und erkannt hat, konnte ich nun von meinem Studienfreund Rüdiger Schmitt aus Münster lernen.

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Das setzte mich auf die richtige Spur für die frühe Christenheit. Ich meinte, deren Geschichte bereits intensiv studiert zu haben. Aber mir war vor allem die Entwicklung der theologischen Lehren und der kirchlichen Ämter beigebracht worden. Von der US-amerikanischen Kunsthistorikerin Felicity Harley-McGowan, mit der ich in den vergangenen Jahren in einer Forschungsgruppe zusammengearbeitet hatte, lernte ich die ersten christlichen Bilder in ihrer theologischen und kirchlichen Unordentlichkeit kennen. Das fand ich sehr erfrischend.

Während des Studiums in Tübingen war mir – abgekürzt gesprochen – beigebracht worden, dass die Geschichte des Christentums aus wenigen Stationen bestand: Von Jerusalem nach Rom und dann nach Wittenberg (später kam noch Berlin hinzu). Beim US-amerikanischen Althistoriker Peter Brown las ich, wie bedeutsam der Nahe und ferne Osten (Syrien, Jordanien, Armenien, Georgien, Irak) und der Süden (Ägypten und Äthiopien) waren. Das führte mich in ganz neue Bilderwelten.

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Aber auch die europäische Bildgeschichte habe ich jetzt neu kennengelernt. In dem gebräuchlichsten Lehrbuch für Kirchengeschichte, mit dem ich mich auf das Studium vorbereitet hatte, kam der Heiligen- und Reliquienkult nur in wenigen Anmerkungen vor ("niederer Kult", "unterchristlich"). So musste ich jetzt nach-lernen, dass die europäische Skulptur sich aus dem Reliquienkult entwickelt hat und dass es töricht ist, seine Bedeutung zu leugnen, nur weil man ihn problematisch findet.

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Nun will ich nicht alle zwölf Kapitel meines Buches durchgehen, obwohl ich in jedem für mich verblüffende und bewegende Entdeckungen gemacht habe. Das würde hier zu weit führen. Wer mag, kann dies für sich selbst nachvollziehen. Wie immer andere mein Buch finden werden, für mich jedenfalls hat sich das Recherchieren und Schreiben gelohnt. Ich sehe jetzt anders auf die Geschichte und Gegenwart des Christentums: weniger theologisch, buchstäblich, konfessionell geordnet und europäisch orientiert, sondern bildlicher, sinnlicher, anarchistischer, offener und süd-östlicher. Zumindest dem Vatikan scheint das auch Freude bereitet zu haben.

Johann Hinrich Claussen: Gottes Bilder, Eine Geschichte der christlichen Kunst. 318 S., mit 72 überwiegend farbigen Abbildungen, 32 Euro
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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur