Ping! Auf meinem Bildschirm ploppt das Livestream-Fenster auf. Zuerst unscharf und verwackelt, dann ganz klar und deutlich sehe ich eine Kirche, einen Altar. Weiße Lilien links und rechts. Sie umrahmen eine kleine, unscheinbare Urne – ein Holzkästchen, vielleicht zehn mal zwanzig Zentimeter groß. Plötzlich knacken meine Laptop-Lautsprecher, dann höre ich Rascheln und gedämpfte Schritte. Die Holzbänke füllen sich langsam. Ich bin auf einer Beerdigung, einer richtigen Beerdigung – und das zu Hause an meinem Schreibtisch.
Als Austauschschülerin habe ich ein Jahr lang bei einer Familie in Polokwane, einer Stadt im Norden Südafrikas, gelebt. Seitdem war ich nur zweimal wieder dort, aber über Whatsapp halte ich Kontakt zu meinen Gasteltern und meiner Gastschwester, gratuliere zum Geburtstag, schicke Grüße zu den meisten Feiertagen und tausche auch mal zwischendurch Nachrichten aus. So wurde ich auch vor zwei Tagen zum Livestream der Beerdigung von Oumie, meiner Gastgroßmutter, eingeladen.
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Im englischsprachigen Ausland sind Liveübertragungen von Bestattungen bereits weit verbreitet. Seit der Corona-Pandemie bieten auch in Deutschland immer mehr Bestattungshäuser diesen Service an. Während der Zeremonie werden die Trauerfeier und Beisetzung gefilmt, und geladene Gäste können über einen Link daran teilnehmen.
Mir war sofort klar, dass ich dabei sein will. Als ich von Oumies Tod erfuhr, wäre ich am liebsten auf der Stelle in das nächste Flugzeug gestiegen, um die Familie zu unterstützen. Doch die große Entfernung ließ das nicht zu. Über 10 000 Kilometer trennen meine Heimatstadt Berlin von den Menschen, die mir damals so sehr ans Herz gewachsen sind.
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