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Ahrweiler ist nicht Paris, Barcelona oder Köln – allein von der Kunst her betrachtet. Doch die Leiterin des Stadtmuseums, Heike Wernz-Kaiser, hatte mit den Jahren und viel Engagement, Herzblut und Feingefühl eine Sammlung zusammengetragen, die beachtenswert war.
Nach trüben Begegnungen im Spätsommer des letzten Jahres treffen wir jetzt wieder zusammen und können sogar auch ein bisschen zusammen lachen. Sie zeigt mir ihren neuen Clou: den Museumscontainer. Das ist eine Kunstkiste, in der mit Kunstfertigkeit kaputte Kunst wieder fertig gemacht wird.
So gut wie alles ging im Hochwasser unter. Die professionelle Bergung erfolgte spät und erst nach vehementen Hilferufen der taffen Kuratorin. Insgesamt zählte die Sammlung mehr als 2800 Objekte, rund 30 Prozent sind nun perdu. Inzwischen ist viel passiert und die Solidarität von Museen und Restauratoren ist groß. Wissenschaftler interessieren sich für das Geschehene, hoffentlich werden ihre Erkenntnisse einmal Schäden mildern helfen. Doch Kunst hängt ja nicht nur im Museum. Und Zeugnisse der Vergangenheit haben oft vor allem persönlichen Wert.
Großvaters Weinrömer
Meine Frau übernahm als Andenken an ihren Großvater einen grünen Weinrömer. Er ist mit reichlich Gold belegt, ein ziemlich unmögliches Teil. Hob man das Trinkgefäß an, dann spielte eine im Fuß verborgene Spieluhr „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren.“ Seinen Platz hatte das Erinnerungsstück diskret tief hinten im Schrank. Beim Frühjahrsputz oder wenn ordentlich viel Geschirr für Familienfeste benötigt wurde, kam es zum Vorschein. Wie Aladins Wunderlampe einen guten Geist enthielt, so verströmte das Weinglas gute Stimmung bei Kindern, der Schwiegermutter und Gästen, sooft man es anhob und es spielte. Denen, die ihn kannten, brachte es die Erinnerung an einen liebenswürdigen Herrn zurück; alle anderen erfreute einfach die nostalgische Skurrilität des Gegenstands.
In den Wirren der Räumung des verwüsteten Hauses wurde der Römer von irgendjemandem der Helfer aus dem Schlamm gezogen. Das Glas war unversehrt. Darum wurde es in dreckigem Wasser grob gespült und in eine Plastikkiste gesteckt. Diese ist dann in eine Garage gewandert, die uns Freunde zur Verfügung stellten. Dort müsste sich das Weinglas des Großvaters noch immer befinden, äußerlich unversehrt, aber natürlich ohne Heidelberg.
Container zur Kulturrettung
Hinter dem Weißen Turm, einem der Wahrzeichen von Ahrweiler stehen jetzt zwei ebenfalls weiße Container, in der ganzen Hässlichkeit, die solchen Blechkisten anhaftet. Doch hier sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Denn was sich im Inneren abspielt, ist in dieser Phase nach dem Hochwasser vielleicht das Schönste und Heilsamste, was passiert. Bis Anfang Juni waren Dozenten und Studierende der Studienrichtung „material culture“ von der Universität Delaware (USA) hier im Einsatz. Sie sichteten und reinigten Museumsstücke, die in Ahrweiler verblieben waren. Diese Experten stellten sich für eine kostenlose Bürgerberatung zur Verfügung. Menschen können mit ihren von der Flut beschädigten Erinnerungsstücken und Kunstschätzen vorbeikommen. In einem von Heimatliebe und Brauchtumspflege geprägten Tal finden sich Schätze nicht nur im Museum. Sondern eben allzu oft auch in Kellern. So sehr es immer noch und überall um Fenster, Fliesen und Verputz geht, wenn Omas Brautkleid, oder Uropas Reservistenkrug oder die eigene Dampfmaschine noch gerettet werden kann, dann wurde und wird hier geheilt und repariert - und lassen uns Flutopfer für einen den Bürokratismus, die Preistreiberei und die Lieferengpässe für einen heiligen Moment Glückseligkeit vergessen.
Kunst von allen und für alle
Ende Juni soll nochmal eine offene Beratung angeboten werden. Ich habe mir den Tag rot im Kalender angestrichen. Diesmal ist ein Restauratorenteam der Technischen Hochschule Köln am Start. Bis dahin will ich den Weinrömer heraussuchen und mich in die Warteschlange stellen. Sollte seine Spieluhr wieder „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“ spielen können; das meine wäre eine wenig weniger verloren.