In der Gegend um unsere Hauptstadt Bratislava spüren wir wenig vom Krieg in der Ukraine. Aber auch hier kommen Menschen aus der Ukraine an. Darum hat der Staat entschieden, dass immer ein anderer Landkreis einen Notdienst für die Geflüchteten übernimmt. Wir als Kirchen – griechisch-katholisch, reformiert, römisch-katholisch und evangelisch – helfen, wo wir können. Freiwillige der Kirche leisten zum Beispiel direkt an der Grenze Erste Hilfe, in jenem Zwischenraum, zu dem sonst nur Soldaten und Polizisten Zugang haben, wo die Geflüchteten ankommen, aber noch nicht in der Slowakei sind. Hier geben wir den Ankommenden etwas Warmes zu essen und zu trinken.
Eva Oslikova
Unsere Grenze zur Ukraine ist nicht mal 100 Kilometer lang. Darum sind bislang nur rund 300 000 Geflüchtete zu uns gekommen; nach Polen dagegen 2,3 Millionen. Die meisten schlafen nur ein bis zwei Nächte hier, suchen sich Züge und fahren weiter. Trotzdem sind viele Slowaken wütend über die Hilfe für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer. Vor allem dort, wo die Menschen selbst keine Arbeit haben, fragen sie, wieso der Staat den Geflüchteten hilft statt ihnen. Debatten gab es schon vor dem Krieg: zwischen Leuten, die für Impfung sind oder dagegen. Jetzt sind die Leute auch für die Ukraine oder gegen sie.
Riss durch die Generationen
Unser Land wurde lange als Freund Russlands bezeichnet. Viele Ältere lieben Russland. Sie haben dort studiert, haben Freunde und Familie dort und fragen sich jetzt, was eigentlich passiert ist, dass wir nun zu den Feinden Russlands zählen. Die Jüngeren haben ein anderes Verhältnis zu Russland. Da geht ein Riss durch die Generationen. Außerdem tut sich eine Kluft zwischen armen und reichen Regionen auf: In und um Bratislava sind die Arbeitsmöglichkeiten besser. In den Dörfern leben viele Menschen immer noch hauptsächlich von der Landwirtschaft. Im Sozialismus wurden dort zwar Fabriken gebaut, danach aber privatisiert oder stillgelegt. In manchen Gebieten bleiben die alten Leute zurück, weil die jungen ins Ausland gehen; viele Frauen betreuen in Österreich Senioren.
Ich bin seit vier Jahren Vorsitzende der Frauenarbeit in der evangelischen Kirche und finde, unsere Aufgabe als Kirche ist es, die Hilfsbereitschaft zu fördern. Und wir müssen wachsam sein. Denn Helfer und Helferinnen an der Grenze oder in den Flüchtlingsunterkünften haben beobachtet, wie ukrainisch sprechende Männer geflüchteten Frauen Karten geben mit Telefonnummern und versprechen, ihnen Arbeit zu vermitteln. Was dahintersteckt und wo die Männer mit den Frauen hingehen, wissen wir nicht. Aber es macht uns Sorgen.