Gottesdienst "Die Bibel der Anderen": Nikolaikirche Eisenach
Burkhard Weitz
Weise aus dem Morgenland
"Die Bibel der anderen" nennt Pfarrer Armin Pöhlmann seine Gottesdienstreihe. Diesmal mit dem Muslim Sayed Ahmad Khan über die Weisen aus dem Morgenland.
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
10.01.2022

Nikolaikirche Eisenach, Samstag, 17 Uhr. Der Kirchgänger setzt sich in die letzte ­Reihe. Das Altarbild ist weit weg. Was ist darauf zu sehen – eine Krippenszene? Zum Thema würde es passen. Heute geht es in der thüringischen Lutherstadt um den Besuch der Weisen aus dem Morgenland beim Jesuskind.

Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff

Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.

Es ist der letzte von sieben Gottesdiensten unter dem Titel "Die Bibel der Anderen". In jedem wurden Texte von Menschen anderer Religionen verlesen: Mitte Mai die kritische Betrachtung der jüdischen Historikerin Adele Reinhartz (geboren 1953) zum Johannesevangelium. Im Juni Gedanken des Schiiten Navid Kermani (Jahrgang 1967) zur Hochzeit von ­Kana. Danach ein Vortrag des Hindus Swami Vivekananda (1863–1902) über Jesus Chris­tus, dann der Aufsatz eines Osage-Indianers (Jahrgang 1963) aus den USA über den Auszug Israels aus Ägypten.

Heute wird der Kommentar des indischen Muslims Sayed Ahmad Khan über die Weisen aus dem Morgenland verlesen. 30 Menschen sind gekommen.
Alles passt zum Thema: das Vorspiel des Organisten: "O komm, o komm du Morgenstern"; die orientalischen Klänge des ­syrischen Musikers Ibrahim Bajo, der mit seiner Kastenzither im Altarraum unter einem Herrnhuter Stern hockt. Hinten im ­Kirchenraum liegt auf Tischen das süße Nussgebäck eines syrischen Konditors aus Köln aus, daneben stehen Gläser mit Granat­apfelsaft, Snacks aus dem Orient für später.

Ein Herz, von geistlichem Glanz erleuchtet

Die Gemeinde singt: "Von deinem Reich auch zeugen die Leut’ aus Morgenland" (im Gesangbuch die Nr. 71). "Dein Licht scheint in der Welt und ruft die Gläubigen aller Religionen", betet der Pfarrer. – "Magier" nennt Khan die Weisen aus dem Morgenland, ­"Zauberer". Das Wort klinge negativ, aber es seien Männer von gro­ßem Ansehen ge­wesen. Das Licht müsse ihnen zwei Jahre lang kontinuierlich erschienen sein. Aber nicht jeder konnte den Stern sehen, ­sondern nur die, "deren Herz von geistlichem Glanz erleuchtet die Fähigkeit gewonnen hatte, eine solch reine Erscheinung wahrzunehmen."

"Lass das Licht auch in unseren Herzen leuchten, dass auch wir es am Himmel sehen", betet Pfarrer Armin Pöhlmann. Dann verzaubert Bajo die Gemeinde mit einer Improvisation auf seiner Zither. Applaus. Segen.

Am Ende traut sich der Kirchgänger ­ nach vorne zum Altarbild. Die vermeintliche Krippenszene entpuppt sich als Bild mit Kreuzesabnahme. Na ja: Die Passionszeit ist nun nicht mehr fern.

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