Liebe Leserin, lieber Leser,
Karin Lackus kennt das Unbehagen gegenüber einem medizinischen Wirkstoff, den man noch nicht so gut kennt. Karin Lackus hat Krebs, und es schaudert sie, wenn der Chemococktail in ihre Venen fließt. Überhaupt kennt sie als Krankenhausseelsorgerin das Dilemma zwischen Hoffnung und Angst, deswegen kann sie sich besser einfühlen in Impfskeptiker als - zum Beispiel - ich. Ich lese den Text von Karin Lackus und werde einfach nur wütend. Schon letztes Weihnachten hat ihr Onkologe die Chemodosis reduziert, da sein Krankenhaus übervoll war mit Corona-Patienten und er nicht riskieren wollte, dass sie mit Nebenwirkungen noch mal eingeliefert wird.
Letztes Weihnachten gab es noch keinen Impfstoff. Aber dieses Jahr sieht die Krebspatientin nicht ein, "in die zweite Reihe der Dringlichkeiten zu gehen". Impfgegner, die ihr im Zweifelsfall das Bett wegnehmen, findet sie schwer erträglich. "Wir sind", sagt sie, "als Gemeinschaft gefragt."
Gemeinschaft ist für mich das Wort der Woche. Wie halten wir die Zerreißprobe aus zwischen Geimpften und Ungeimpften? Das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft und eines größeren Ganzen zu sein - das nennt die Pastorin Annette Behnken "Demut". Ich habe mit ihr darüber gesprochen, ob der "Dien-Mut" (das ist der althochdeutsche Ursprung des Wortes) unseren Politikern abhandenkommt. Und ob wir durch die Pandemie demütiger und durchlässiger geworden sind - oder gereizter und härter. Für einen Meister der Demut hält die "Wort zum Sonntag"-Sprecherin übrigens den Komiker Helge Schneider. Hören Sie rein!
Zum Lachen gibt's ja leider nicht viel im Moment. Ich war in einem ziemlich lustigen Theaterstück, zum ersten Mal seit Corona, prompt hatte ich drei Tage später eine rote Warnung auf der Corona-App. Ich habe mich seither täglich getestet und bin verschont geblieben, weitere Kulturaktivitäten lasse ich erst mal ruhen. Wie es weitergeht mit all den schönen Krippenspielen und Adventskonzerten, erklärt Ihnen der Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche, Johann Hinrich Claussen. Und berichtet, wie die Reformatoren vor 500 Jahren mit der Pest umgegangen sind: nicht mit der Suche nach Wundermitteln, sondern mit Vernunft und Quarantäne. Davon könnten sich manche Wundergläubige und Esoteriker heute was abgucken.
Wenn Sie Bedenken haben, in Kirche oder Konzert zu gehen, bleiben noch Radio und Fernsehen. Bis Weihnachten regelmäßig aktualisiert wird die Seite evangelisch.de/gottesdienste. Nächsten Sonntag zum Beispiel kommt im ZDF um 9.30 Uhr ein Gottesdienst für Hörende und Gehörlose aus Herne und im Deutschlandfunk um 10.05 Uhr eine Radioandacht aus Nürnberg.
Wie geht es Ihnen mit all den Absagen und Enttäuschungen? Sind Sie demütig, sind Sie wütend? Mir geht es immer mehr wie meinem Kollegen Nils Husmann - meine Geduld ist am Ende.
So, und jetzt radle ich in den Kerzenladen und kaufe diese große weiße Kerze für die Kerzenampel auf dem Balkon. Kerzen helfen. Das ist ja sonst nicht auszuhalten mit den düsteren Nachrichten.
Bleiben Sie zuversichtlich!
Ihre
Ursula Ott
chrismon-Chefredakteurin