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Das war ein Paukenschlag. Die Caritas hat Ende Februar den branchenweiten Tarifvertrag für die Altenpflege abgelehnt. Die Diakonie, die einen Tag später ebenfalls entscheiden sollte, hat daraufhin gar nicht mehr abgestimmt. Der Schaden ist immens. Gleich auf zwei Ebenen: Private Altenheime und Pflegedienste können weiter Dumpinglöhne zahlen – zumindest in Regionen, wo die Pfleger:innen keine Alternativen haben. Und die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Sozialverbände ist schwer angekratzt – in der Öffentlichkeit gilt jetzt: Die Kirche will nicht, dass Altenpflegerinnen genug Geld kriegen.
Das Paradoxe: Caritas und Diakonie bezahlen ihren Pflegekräfte gut - in der Regel höher, als der von der Gewerkschaft ver.di und dem relativ kleinen Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelte Vertrag, den Arbeitminister Hubertus Heil nun auf die ganze Branche ausweiten wollte. (Dazu brauchte er die Zustimmung der kirchlichen Sozialverbände, die etwa 30 Prozent der Altenpflegekräfte beschäftigen).
Dienstgeber und -nehmer uneins
Warum war die Caritas trotzdem dagegen – und die Diakonie mutmaßlich ebenso? Dazu muss man erstmal verstehen, wer so etwas genau entscheidet: In beiden Wohlfahrtsverbänden sind das nicht die Leitungen, sondern arbeitsrechtliche Kommissionen (ARK), die paritätisch mit Dienstnehmern und -gebern besetzt sind. Bei der Caritas stimmten die Dienstnehmer für den Tarif. Die Dienstgeber waren dagegen und verhinderten somit die notwendige Zweidrittelmehrheit. Sie argumentieren: Die Kostenträger (Pflegekassen) würden sich möglicherweise am Tarifniveau orientieren und Einrichtungen wie die Caritas, die höhere Löhne zahlen, nicht mehr refinanzieren. Außerdem könnte es eine Einmischung in das hauseigene Tarifwerk bedeuten, und dem stünden sie skeptisch gegenüber.
Der zweite Punkt ist entscheidend, vermuten Kenner:innen. Die Refinanzierung sei nicht in Gefahr, meint auch Thomas Rühl, Sprecher der ARK-Dienstnehmer. Er hält das Abstimmungsergebnis für eine Katastrophe. Die kirchlichen Sozialverbände wären in der Pflicht gewesen, sich auch für die Pflegekräfte einzusetzen, die nicht bei ihnen angestellt seien, meint Rühl. Und sie schadeten letztendlich auch sich selbst: Es werde nun noch weniger Bewerber:innen in der Altenpflege geben. Denn wer wähle schon einen Beruf, der für seine niedrigen Löhne bekannt sei?
Schadensbegrenzung
In der ARK der Diakonie gibt es nach der Nichtabstimmung eine ähnliche Konfliktlinie, vielleicht ist diese sogar noch schärfer. Andreas Korff, Sprecher der Dienstnehmerseite, ist sauer, dass gar nicht abgestimmt wurde. Die Dienstnehmer seien für den Vertrag gewesen, sie wollten wenigstens ein Zeichen setzen und zeigen: Nicht alle in den Kirchen sind dagegen. Die Dienstgeber aber lehnten das ab. „Wir wurden um unsere Stimmen betrogen“, sagt Andreas Korff, der in einer Einrichtung für behinderte Menschen arbeitet. Was ihn besonders wurmt: „Jetzt werfen die uns alle in einen Topf.“
Nicht nur die Mitarbeiterseite ist enttäuscht über das Aus für den Flächentarif. Hans-Peter Daub, Pastor und Vorstandsmitglied im Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN) meint: "Die Kirche kann doch nicht nur ihren eigenen Garten schön hegen und pflegen, während der Rest verdorrt."
Es ist ein Schaden entstanden. Caritas und Diakonie üben sich jetzt in Schadensbegrenzung. Beide Präsidenten betonen, dass sie sich weiter für die Beschäftigten in der Altenpflege einsetzen wollen. Dass es andere Wege gibt als diesen Tarifvertrag für alle. Welche? Sie sind jetzt in der Bringschuld.