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Dieses Bild ist eine Kampfansage. Du oder Ich – so lautet der Titel. Ist es eine Frage oder eine Feststellung? Maria Lassnig, die Künstlerin, fordert Sie zum Duell heraus. Es ist ein Bild, das einige als beispielhaft dafür bezeichnen, worum es Österreichs bedeutendster Malerin des 20. Jahrhunderts ging: um sich selbst, um den Körper, die Form, die Farbe, die Frau. Wie ein Cowboy hält die gealterte Künstlerin (das gesamte Œuvre von Maria Lassnig darf als riesiges, vielfältiges Selbstporträt verstanden werden) Ihnen die Mündung ihrer Knarre entgegen, die andere an die eigene Schläfe gepresst.
Lukas Meyer-Blankenburg
Der Hintergrund ist weiß, wie auf so vielen ihrer Bilder. Vermutlich, weil bei Maria Lassnig alles in den Vordergrund drängt. Und hier? Was will sie mit den Pistolen? Vielleicht sollen allzu aufdringliche Betrachter auf Abstand gehalten werden. Vielleicht will Ihnen die Künstlerin sagen: Ich geh aufs Ganze. Wie weit bist du bereit zu gehen? Hier sitzt eine starke Frau, die schlaffen Brüste und der Schritt offensiv zur Schau gestellt, kein Schönheitsideal, sondern ein wunderbar selbstbewusster Mensch.
Mit Schweineschnauze im Gesicht
Ihr eigener Körper war Maria Lassnig immer schon Quell für die Kunst. Auf ihren Bildern experimentierte sie mit seinen Formen, malte Geschlechtsteile auf abstrakte Quadrate, sich selbst eine Schweineschnauze ins Gesicht oder rang nackt mit einem Tiger.
Maria Lassnig war zeitlebens eine Einzelgängerin. Oft ganz bewusst, oft aber auch, weil Mann ihr gern das Leben schwer machte. 1919 in Kärnten geboren, radelte sie als Anfang Zwanzigjährige an die Kunstakademie nach Wien mit der Berufung Künstlerin im Kopf. Sie wollte aber keine beschaulichen Landschaften malen oder gedämpfte Porträts vor braunem Hintergrund. Ihr erster Lehrer beschimpfte ihre famos bunten und körperlichen Bilder als "entartet", die junge Künstlerin musste die Akademieklasse wechseln. Im nationalsozialistischen Österreich musste Maria Lassnig sich ihre eigene Kunstmoderne erschaffen, wie sie sinngemäß einmal sagte. Und auch, wenn sie später in die Kunstwelten von Paris und New York eintauchte, treu blieb sie sich immer nur selbst und zeigte vor allem jungen Künstlerinnen, dass es möglich ist, sich zu behaupten.
Der Tod - eine große Ungerechtigkeit
In "Du oder Ich" dreht sie das Sujet vom starken, männlichen Helden einfach um. Das Bild von 2005 ist auch eine Botschaft: Mut zum Risiko und Vertrauen in die eigenen Stärken. Die Anerkennung für ihr künstlerisches Werk kam spät. Mit 61 Jahren erhielt sie als erste Frau im deutschsprachigen Raum eine Kunstprofessur an der Wiener Hochschule. In den Neunzigern wurde sie auf der documenta gefeiert. Den Tod, der auch Maria Lassnig neun Jahre nach diesem Bild "passierte", hat sie als große Ungerechtigkeit verschrien. Bestimmt gilt eine Patrone aus den beiden Pistolen auch ihm.