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Ja, es gibt mehr Onliner als Nonliner: 86 Prozent der deutschen Bevölkerung (ab 14 Jahren) nutzen das Internet. Selbst bei den über 70-Jährigen ist schon jeder Zweite im Netz. Aber dennoch: Mehr als elf Millionen Menschen in Deutschland bewegen sich gar nicht oder nur sehr unsicher in der digitalen Welt. Vor allem Ältere, wenig Gebildete und Nichtberufstätige bleiben einer aktuellen Erhebung zufolge im digitalen Abseits. Und riskieren, dass sie auch gesellschaftlich den Anschluss verlieren. Anmeldung zum Arzttermin, Check-in, Bewerbungen, Absprachen in der Sportgruppe – immer mehr findet heute online statt.
Brauche ich all die Apps?
Für Menschen mit geistigen Einschränkungen oder Behinderungen ist die Hürde besonders hoch. Björn-Bernd Sudmann, 34, arbeitet als Berater in einem Piksl-Labor, einer Art inklusivem Internetcafé im Bielefelder Ortsteil Bethel. Dorthin kommen vor allem Menschen aus den nahe gelegenen Behinderteneinrichtungen, aber auch "ganz normale Leute mit PC-Fragen".
Die Besucher und Besucherinnen setzen sich an einen der zehn Computer, nehmen an Workshops wie "Sicher und einfach im Internet" teil, manche bringen auch ihre Smartphones oder Laptops mit. Typisches Anliegen: "Ich habe mein Passwort vergessen. Können Sie mal gucken?" Sudmann kann. "Es gibt eingebaute Hintertürchen. Die zeige ich den Leuten." Eine ältere Frau hatte sich im Urlaub ein Smartphone gekauft, ihr Handy war kaputtgegangen. Ein neues Modell, der Enkel fand es klasse, aber sie war total überfordert und wollte eigentlich nur telefonieren. "Schrittzähler, Spotify, Whatsapp – wir sind alle Apps und Funktionen durchgegangen, haben besprochen, was sie braucht und was sie löschen kann."
Auch das Beraterteam ist inklusiv
Sudmann kann komplizierte Dinge einfach erklären, so dass auch digitale Anfänger sie verstehen. Er selbst ist kein ausgebildeter EDV-Mann, er hat sich viel selbst beigebracht. Als leidenschaftlicher Videospieler verbringt er den Großteil seiner Freizeit vor dem Bildschirm. Mit Menschen kann er nicht so gut, Beziehungen sind für ihn anstrengend. Bei ihm wurde eine sogenannte schizotypische Störung diagnostiziert: "Ich erkenne manchmal nicht, wenn ich zu weit gehe", sagt Sudmann. Bei Piksl übt er das. Seine Störung gilt hier nicht als Problem.
Zum Team gehören auch Menschen mit Lernschwächen oder Behinderungen. Weil sie Besucherinnen auf Augenhöhe beraten. Und ihre Perspektive wichtig ist, wenn Piksl an Webseiten arbeitet, die alle bedienen können: Mit leichter Sprache etwa oder mit Buttons, um die Ansicht größer zu stellen oder sich den Text vorlesen zu lassen. Apropos leichte Sprache – Piksl ist die Abkürzung von: "Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben".
Sie können das Piksl-Labor Bielefeld mit Geldspenden unterstützen:
Spendenkonto der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
IBAN: DE48 4805 0161 0000 0040 77
Verwendungszweck: chrismon/Piksl Labor Bielefeld.
Weitere Piksl-Labore gibt es in Dortmund, Düsseldorf, Kaiserslautern, Kassel, Osnabrück.