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Zu Beginn etwas Positives: Wenn man morgens früh aus dem Haus geht, zur Arbeit oder als Jogger, kann man jetzt wieder all die Kinder auf dem Schulweg sehen. Gibt es einen schöneren Anblick?
Aber: Je länger sich die Pandemie hinzieht, je länger diese Art Notstand herrscht, umso schwerer ist es zu ertragen. Niedergeschlagenheit macht sich breit. Hört das denn nie auf? Ängste finden keine Ruhe. Kommt die zweite Welle, ein zweiter Lockdown? Lockerungen und Öffnungen werden gar nicht wahrgenommen. Was soll ich denn jetzt ins Museum, ins Kino, in den Verein, in die Kirche gehen?
Depression sei eine Form von Aggression, hat mir ein kluger Mensch einmal erklärt. Vielleicht erklärt dies die Wut, die zurzeit viele trifft, die Verantwortung tragen. Auch die Kirchenkritik erfährt eine neue Konjunktur. Dabei hatten wir anfangs gehofft, alles richtig zu machen, und in der Not mit allen gesellschaftlichen Kräften an einem Strang gezogen. Nun wird „der Kirche“ vorgeworfen, vollständig versagt zu haben: obrigkeitshörig vor dem Seuchenregime eingeknickt, faul und feige geschwiegen, das Heiligste verraten, die Alten, Einsamen und Sterbenden verraten. Dies schreiben zurzeit viele, eigentlich kirchennahe Journalisten, und so denken auch viele, die der Kirche verbunden sind.
Mich verletzten solche Äußerungen. Ich weiß, dass ich sie professionell nehmen sollte, aber sie verletzen mich im Kern dessen, was ich sein will. Groß ist dann die Gefahr, gegenaggressiv zu werden oder sich zu verteidigen. Dies und das habe ich doch getan! Aber was soll das bringen? Was jedoch könnte etwas helfen, mir und anderen?
Mir hilft, solche Kritik stehen zu lassen und mich neu auf meine pastorale, theologische Arbeit zu besinnen, mich zu fragen, wie ich anders und besser arbeiten kann.
Mir hilft, an andere zu denken und sie zu fragen, wie es ihnen geht.
Mir hilft, Kritikern, wenn möglich, direkt zu antworten. Bei einigen ist das möglich, dann ergibt sich manchmal ein Gespräch, in dem wir uns dann besser verstehen. (Manchmal klappt es allerdings auch nicht.)
Mir hilft, Öffnungen zu nutzen, Neues auszuprobieren und mit anderen in Kontakt zu treten.
Mir hilft, mich an alte pastorale Weisheiten zu erinnern. Seelsorge geht vor! Gremienarbeit ist keine Arbeit, sondern Arbeitsvorbereitung! Ein Gottesdienst soll sorgfältig vorbereitet und mit Freude gefeiert werden! Gespräche brauchen Zeit!
Mir hilft, mich nicht zu empören.
Mir hilft, mich um meine Frömmigkeit zu kümmern.
Mir helfen Bewegung und gute Lektüre.
Mir hilft, mich auf etwas zu freuen.
P.S.: So freue ich mich zum Beipsiel über meinen kleinen Podcast. In der neuesten Folge spreche ich über „Unorthodox“, das Buch von Deborah Feldman und die Netflix-Serie. Warum wir davon so fasziniert sind und ob das eigentlich in Ordnung ist – darüber habe ich mich mit Miriam Rürup, der Direktorin des Instituts für die Geschichte der Juden in Deutschland, unterhalten. Man kann es über die Website von reflab oder Spotify und nun auch bei Apple Podcasts hören.