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Frauen-Gelage sind ein ungewöhnlicher Anblick in der Kunstgeschichte. Klar, Damen sind anwesend, wenn Männer Feste feiern. Aber nicht als Mitfeiernde, sondern um Wein nachzuschenken, Trauben und Hähnchenschenkel verzehrfertig vor bärtige Gesichter zu halten oder sich – quasi zum Dessert – von den Herren der Schöpfung begrapschen zu lassen (meistens alles zusammen und gleichzeitig). Man muss schon eine ganze Menge Kunstbände wälzen, um auf die Darstellung feiernder Frauen zu stoßen. Das gilt insbesondere für die christlich geprägte Bildgeschichte.
Lukas Meyer-Blankenburg
Die österreichische Performance-Künstlerin Margot Pilz wendet nur den simplen Trick eines Geschlechtertausches an, und schon führt das altbekannte letzte Abendmahl von Jesus und seinen Jüngern zu neuem Kopfkino. Hier deuten Frauen nicht nur männerbesetzte Religionsvorstellungen um. Hier besetzen Künstlerinnen künstlerischen und damit gesellschaftlichen Raum.
Die Fotografie ist ein Tableau vivant, eines von mehreren Bildern, die 1979 im Rahmen einer ganzen Abendmahl-Performance entstanden. Ähnlich wie bei den bekannten Abendmahlsdarstellungen der männlichen Künstler strebt die Aufmerksamkeit zum gut ausgeleuchteten Zentrum. Aber kein Heiland, sondern eine stillende Frau sitzt im Mittelpunkt des Bildes. Die Jüngerschar erstarrt auch nicht in anhimmelnder Unterwürfigkeit, sondern die Szenerie deutet darauf hin, dass die Jüngerinnen fröhlich und mit flachen Hierarchien miteinander umgehen.
Martin Johann Schmidt aus Krems
"Hommage à Kremser Schmidt" titelt Margot Pilz ihr Werk und widmet es einem der berühmtesten Barockmaler Österreichs, Martin Johann Schmidt, genannt "Kremser Schmidt". Der zeichnet im 18. Jahrhundert verantwortlich für sprichwörtlich überbordende Leinwandschinken. Zu den berühmtesten gehört ein Gemälde des Abendmahls – selbstverständlich rein männlich besetzt. 200 Jahre später scheinen sich die Frauen in Margot Pilz’ Arbeit mit lächelnder Leichtigkeit über das ölschwere Erbe der Kunstgeschichte hinwegzusetzen, vielleicht sogar lustig zu machen. Die Dame rechts neben der stillenden Frau lacht in und über eine Kunstzeitschrift. Auf ihrem Titel prangt wohl eine jener zahllosen Venus-Figuren, die Männern jahrhundertelang dazu gereichten, über Frauen als schöne Objekte zu fabulieren.
In der Wiener Sammlung Verbund sind noch bis Ende Mai (bitte im Internet prüfen, ob dies Corona bedingt noch oder wieder möglich ist) die Arbeiten von Margot Pilz und weiteren Künstlerinnen zu sehen, die sich in den 1970er Jahren an der Kunstgeschichte abarbeiteten und das Bild der Frau neu schufen – bisweilen mit dem ganz konkreten politischen Ziel, die Ungleichbehandlung von Frauen und benachteiligende Gesetze infrage zu stellen.
Auf dem Papier ist die Gleichberechtigung der Geschlechter in den vergangenen Jahren einen großen Schritt vorangekommen. Der Blick auf Margot Pilz’ Abendmahl mag einige Kunstfreunde gleichwohl immer noch irritieren. Sehgewohnheiten können hartnäckig sein. Wenn man sie ändert, lässt sich das, was bisher selbstverständlich war, neu verstehen.