Häusliche Gewalt
"Man muss aus dem Gewaltkreislauf ausbrechen"
Jetzt will er sich wirklich ändern: der Mann, der seine Frau schlägt. Soll man ihm eine Chance geben?
Lernen von der Diakonie - "Häusliche Gewalt"
Dorothee Burgwald arbeitet in der Fachstelle "Häusliche Gewalt" der Diakonie Rosenheim mit Tätern. Sie Paar-, Familien- und Lebensberaterin (M.A.)
Christine Skowski
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
Aktualisiert am 20.11.2024
2Min

Es tue ihm so leid! Der Mann meiner Freundin hat sie wieder geschlagen. Ob sie ihm noch eine Chance geben soll, fragt sie mich . . .

Dorothee Burgwald: Die beiden sind mitten im Gewaltkreislauf. Zuerst ist der Täter voller Reue und die Frau hofft, er ändert sich. Nach dem ersten Schock aber "neu­­tra­lisiert" er, nach dem Motto: ­
So schlimm warʼs ja gar nicht. Er vergisst – und in der nächsten Stresssituation passiert es wieder.

Dorothee BurgwaldChristine Skowski

Dorothee Burgwald

Dorothee Burgwald ist Psychotherapeutin und Paar-, Familien- und Lebensberaterin. Sie war Beraterin in der Fachstelle für Häusliche Gewalt der Diakonie Rosenheim und hat mit Männern (und wenigen Frauen) gearbeitet, die gewalttätig geworden sind.

Meine Freundin sagt, diesmal ist es anders. Denn er will sich helfen lassen.

Das ist unbedingt notwendig, um aus diesem Kreislauf auszubrechen. Es ist gut, wenn er das selbst erkennt. Allerdings muss man abwarten, ob er sich auch wirklich eine Beratungsstelle oder einen Therapeuten sucht. Oft verraucht solch ein Vorsatz wieder.

Dann könnte sie ja anrufen und für ihn einen Termin machen.

Besser, er tut das – gerade weil es ihm schwerfallen wird. Die Täter schämen sich und haben meist lange dafür gesorgt, dass nichts nach außen dringt. Mit dem Anruf nimmt er die erste Hürde, und die Chance, dass er hingeht, steigt.

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Ihr Programm dauert ein halbes Jahr. Was würde er bei Ihnen zu erwarten haben?

Er hätte einmal die Woche eine Gruppensitzung mit etwa sieben anderen Männern. Wir Gruppenleiter konfrontieren ihn mit seinen Taten, denen er sich stellen muss. Er wird auch üben, sich anders zu verhalten, wenn ihn die Wut packt: die Situation verlassen, sich selbst beruhigen, um dann mit seiner Partnerin konstruktiv zu reden. 

Würde meine Freundin da auch mal mitgehen können?

Nein, aber wir sprechen mit ihr und fragen nach ihrer Sicht. Die Partnerschaft ist wichtig. In Rollenspielen etwa muss der Mann sich in seine Frau – und auch seine ­Kinder – hineinversetzen. Und er muss ihr einen Brief schreiben, in dem er die Verantwortung für sein Verhalten übernimmt, ­ohne die Schuld bei ihr zu suchen. Das kann ein Neuanfang sein.

Dann hofft meine Freundin also dieses Mal zu Recht?

Wenn ein Mann motiviert ist, kann er es schaffen, vielleicht noch mit einer zusätzlichen Einzeltherapie Ob die Frau wieder Vertrauen fassen kann, so dass die Ehe eine Chance hat, ist eine andere Geschichte. Sie können ihr nicht sagen, was richtig oder falsch ist, Sie können ihr aber zur Seite stehen.

Eine erste Version dieses Textes erschien am 26.06.2019.

Infobox

Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten und in jedem Alter vor. Im Hilfeportal der 
Diakonie Deutschland finden Täter und Opfer Anlaufstellen in ihrer Nähe:  hilfe.diakonie.de (Häusliche Gewalt)

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