Kunstwerk - Kein Trost möglich
Franz von Stuck, Pietà, Städel Museum Frankfurt am Main
Das Kunstwerk: Die ungewöhnliche Pietà von Franz von Stuck, 1891
Kein Trost möglich
Franz von Stuck war Karikaturist und malte auch nackte Damen. Aber seine Pietà wirkt ungewöhnlich starr und hoffnungslos.
Lukas Meyer-BlankenburgPrivat
08.04.2019

Der Tod ist nur eine Episode 
zwischen Kreuzigung und Auferstehung. Das ist die Bot­-
schaft, die in den zahllosen Pietà-­Darstellungen der Kunstgeschichte steckt. Für gewöhnlich zeigen die ­Bilder auf eindringliche und intime Art, wie die Mutter Maria um ihren toten Sohn trauert. Michelangelo hat dafür im 15. Jahrhundert die wohl berühmteste, nämlich die vatikani­sche Pietà als Vorlage für sämtliche Künstlergenerationen nach ihm geschaffen und gleichzeitig eines der universalen Motive menschlichen Leids aufgegriffen. Aber – und das macht die Pietà zum christlichen Motiv – es geht nicht nur um Trauer. 
Maria hält Jesus nicht nur in den 
Armen, sondern sie hält ihn gewisser­maßen auch im Leben. Denn sogar Menschen ohne Bibelkenntnisse wissen, dass die Geschichte mit der Kreuzigung ein Happy End hat.

Lukas Meyer-BlankenburgPrivat

Lukas Meyer-Blankenburg

Lukas Meyer-Blankenburg ist freier Journalist mit Hang zur Kunst

Damit hat der Münchner Maler Franz von Stuck radikal gebrochen. Von einer innigen, körperlichen Beziehung ist auf seiner Pietà von 1891 nichts zu sehen. Vielmehr sind Jesus und Maria etwas steif und senkrecht 
zueinander angeordnet. Sie greifen formal die Kreuzform, die der christlichen Geschichte von Leid und Auferstehung das Symbol gibt, auf. Die verkrampfte Hand des Toten verweist auf seine Leidensgeschichte und den Schmerz. Eine Ahnung von Trost 
bietet das Bild nicht. Von Stucks ­Maria hat die Hände vors Gesicht ge­schlagen und berührt ihren Sohn nicht. Für den Künstler gibt es keine Beziehung ­zwischen Lebender und Leichnam und erst recht keine Exit­strategie aus dem Tod, wie sie das Christentum für den Heiland vorsieht. Ungewöhnlich nur, dass der Tote fast lebendiger wirkt als die trauernde Mutter. Deren Körper ist trotz ihres dunklen Gewandes beinahe so schemenhaft, dass man meint, die Beine des Gesalbten dahinter sehen zu können. Von Stuck zeigt eine Frau, die sich in einsamer Trauer aufzulösen scheint. Das ist drastisch und für den lebenslustigen Künstler ein eher ungewöhnliches Motiv.

Der aufkommende Rationalismus war nichts für ihn

Berühmt wurde Franz von Stuck als Karikaturist, tat sich hervor mit heiteren Alltagszeichnungen, fertigte Skulpturen und sogar Möbelstücke an und ist der Nachwelt vor allem als ­Maler nackter Damen in Erinnerung geblieben, die – mal mit einer Schlange, mal mit einem zornigen griechischen Gott ringend – als Allegorien für Sünde, Leidenschaft oder andere prägende Gefühlswelten der menschlichen Natur herhalten mussten. Von Stuck liebte es, in Symbolen zu malen. Der aufkommende Rationalismus ­seiner Zeit war nichts für ihn. Als Professor an der Münchner Kunst­akademie prägte er mit seinem Symbolismus spätere Künstlergrößen wie Paul Klee oder Wassily Kandinsky. 
Zu Lebzeiten galt er manchem Kunst­kriti­ker gar als bedeutendster deutscher Maler überhaupt. Die Münchner Schickeria adelte ihn mit dem Titel Malerfürst. So einen Titel bekamen Künstler, die in privaten Salons für das Großbürgertum malten, zu der Zeit häufig. Heute ist von Stuck auf Lokalgröße 
geschrumpft. Seine einstige Villa dient 
als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum im Herzen der bayerischen Haupt­-
stadt. Die einsame Pietà lässt sich in der Dauerausstellung des Frankfurter Städel Museums bemitleiden.

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