Drei dürre Jahre hat die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Istanbul hinter sich. "Das ist wie in der Bibel", hat mir Pfarrerin Gabriele Pace schon am Telefon gesagt, bevor ich in die Türkei kam, um die Gemeinde zu porträtieren. Gabriele Pace ist eine zupackende, temperamentvolle Frau, die mich sehr herzlich begrüßte. Sie ist seit eineinhalb Jahren in Istanbul, von den "dürren Jahren" hat sie nur einen Teil miterlebt. Seit dem Jahr 2015 gab es immer wieder Sprengstoffanschläge in der Türkei, einige davon in Istanbul. Im Januar 2016 etwa starben zwölf deutsche Touristen vor der Hagia Sophia im Zentrum der
Stadt. Ein paar Monate später rissen
Selbstmordattentäter am Atatürk-Flughafen fast 50 Menschen mit in den Tod. Dann der Militärputsch im Juli 2016. Es ist keine leichte Zeit für die Türkei – für die heute etwa 100 Gemeindemitglieder also auch nicht. Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, sie waren mal über 400.
Lilith Becker
Nur noch Singles trauten sich zurzeit längerfristig in die Türkei, sagte mir Gabriele Pace. An der deutschen Schule hatten sich zuletzt kaum noch Lehrer mit Familien beworben. Sie haben zu viel Angst, wer kann ihnen das verdenken? Trotzdem fühlen sich einige der deutschen Gemeindemitglieder alleingelassen von ihren Familien oder Bekannten, so erzählen sie mir. Zu Besuch komme kaum mehr jemand. Erst recht keine Touristen, die in früheren Jahren in Scharen hierher reisten. Jetzt, wo sich die Lage politisch in der Türkei ein wenig zu entspannen scheint, wäre ein Besuch dort vielleicht wieder möglich für die eine oder den anderen? Mich würde es für die kleine Gemeinde sehr freuen, deren Anfänge 175 Jahre zurückliegen: Im Oktober 1843 gründete sie sich als "Deutsche Evangelische Gemeinde zu Constantinopel". Auch der Kaiser kam zu Besuch und schenkte silbernes Tafelgeschirr. Die Kirche der deutschen Gemeinde liegt in einer schmalen Gasse im Stadtteil Beyoglu, direkt neben der ersten evangelisch-armenischen Gemeinde der Welt. Auffällig übrigens, wie viele christliche Kirchen es in Istanbul gibt. Gabriele Pace hofft nun, dass aus den drei dürren Jahren nicht sieben werden. Die fetten Jahre könnten auch gleich jetzt anfangen, meint sie. Ich finde das auch.