Lena Uphoff
15.11.2010

Sie haben heute wirklich nicht die geringste Lust, diese Notizen zu lesen? Okay! Es ist völlig okay. Ich nehme Ihnen das nicht übel. Okay? Pech für Sie. Sie verpassen etwas. Aber das ist Ihre Sache.

Wenn Sie jetzt weiterlesen, obwohl Sie eigentlich gar nicht wollen -­ okay, das wäre inkonsequent, aber völlig okay ­, dann würden Sie zum Beispiel etwas über Friedrich Wilhelm von Steuben erfahren, den preußischen General, der George Washington im Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten zum Sieg führte. Also doch weiterlesen? Okay.

1777 lernte Steuben in Paris den amerikanischen Botschafter Benjamin Franklin kennen. (Der war von Beruf Drucker und soll den Blitzableiter erfunden haben. Das tut hier aber nichts zur Sache.) Franklin überzeugte den ehrgeizigen Offizier, mit nach Amerika zu gehen und in Washingtons Armee einzutreten, die bereits mehr als ein Jahr gegen die Truppen des englischen Königs kämpfte.

Der erste Schritt auf dem Weg zur Supermacht getan

Als Steuben ankam, befanden sich die gerade 5000 Mann Washingtons in einem miserablen Zustand. Die Truppe war eigentlich gar keine. Es fehlten jegliche Ordnung und die geringste Disziplin. Der Preuße ging an die Arbeit und verfasste "Regeln für die Ordnung und Disziplin der Truppen der Vereinigten Staaten". Auf dieser Grundlage drillte er den zerstrittenen und unerfahrenen Haufen, bis daraus die schlagkräftige Armee wurde, mit der die junge Nation von England loskam. Damit war der erste Schritt auf dem Weg zur Supermacht getan. Okay!

Steubens militärische Leistung ist jedoch geradezu geringfügig, misst man sie an seiner sprachschöpferischen Pioniertat. Der General soll der Erfinder jenes Wortes sein, das heute als das meistbenutzte weltweit gilt: Okay oder o. k.

o. k. - orl korrekt

Statt seine Befehle mit a. c. (all correct) zu unterzeichnen, unterschrieb er dank mangelhafter Englischkenntnisse grundsätzlich o. k. nach der Lautschrift (orl korrekt ­- alles in Ordnung).

Die These, dass wir Steuben das "Okay" verdanken, ist umstritten. Das gebe ich gerne zu. Es kursieren unter Etymologen (den sprachlichen Herkunftsforschern) mindestens zwanzig andere Herleitungen. Die einen meinen, okay komme vom griechischen Wort "oikeion" (das Passende). Der amerikanische Linguist Cecil Adams stöberte das Wort "okeh" in der Sprache der Choctaw-Indianer auf, was "in der Tat" bedeute. Wieder andere glauben, o. k. gehe auf Otto Krause zurück, der bei der Autofirma Ford zuständig für die Endkontrolle der Neufahrzeuge war und jedem unbeanstandeten Auto sein O. K. gab. Wenn Sie diese Theorien einleuchtender finden -­ okay.

Neuerdings hat sich okay fast vollständig von seinen Wurzeln emanzipiert. Jüngere Deutsche verwenden es als universalen Gesprächsfüller. Beispiel: Sagt eine Kollegin zur anderen: Ich geh morgen zum Friseur. Antwortet diese: Okay. Eine Frau zu ihrem Freund: Du bist heute wieder unausstehlich! Er: Okay. "Alles in Ordnung" heißt das sicher nicht. Im einen Fall würden Ältere "ja" oder "hmm" oder "ach, wirklich" sagen, im anderen vielleicht "Wenn du meinst" oder "deine Sache". Immer wäre die Ant- wort jedoch eine Stellungnahme. Okay aber ist neutral. Es bedeutet bestenfalls wohl "Ich habe gehört, was du mir sagen willst", schlimmstenfalls mit dem Zusatz versehen, "aber eigentlich interessiert es mich nicht". Deshalb finde ich das Okay eigentlich nicht okay. Es ist quallig, indifferent, spiegelt Kommunikation vor, wo eigentlich gar keine stattfindet. Okay ist nur ein verbaler Blitzableiter (Steuben ist der Franklin der Sprache!).

Die Kanak-Sprache, der Slang junger Migranten, den Steubens unserer Tage, hat das Okay variiert. Wenn Sie sagen: Eigentlich bedaure ich es jetzt, diesen Text fast bis zum Ende gelesen zu haben -­ hieße die Kanak-Antwort: Voll korrekt, Alder, ich schwör! Und das wäre doch auch total okay. Okay? Super!