Daniel Schneider und Marc Engelke, Deichbrand Veranstalter
Roman Pawlowski
"Das ist, was ich kann"
Der Deichbrand-Veranstalter Marc Engelke, 33, über Learning by Doing, Besucherzahlen und den richtigen Festivalboden
Tim Wegner
26.04.2018

Welche Bands spielen? Packt das Verkehrsnetz so viele Reisende? Reichen die Campingflächen? Die Toiletten und Duschen? Was ist mit Sponsoring, Food and Beverage, dem Merchandising? Wer entsorgt den Müll? – Als Veranstalter muss man viel bedenken. Und an diesem einen Wochenende im Jahr muss alles sitzen. Genau das mag ich an der Arbeit so. 
Angefangen haben wir vor 13 Jahren mit 500 Leuten, die Location war ein historisches Fort mit Blick auf die Nordsee. Ein paar Jungs aus der Gegend hatten sich überlegt, dass man ein Festival an die Küste holen müsste. Sie dachten sich den Namen "Deichbrand" aus, ziemlich catchy. Aber das finanzielle Risiko wollten sie nicht eingehen, sie fragten rum – und fanden Daniel Schneider und mich. Wir wurden Kompagnons und sind es immer noch.

Ich hatte meinen Wehrdienst auf der Fregatte "Hamburg" geleistet und Geld gespart. Das habe ich dann ins erste und zweite Festival gesteckt. Die Livemusik-Szene war noch nicht so krass durchgestylt wie heute. Damals glaubte die Musikbranche noch, dass die illegalen Downloads im Internet vorbeigehen, dass CDs und Musikalben zu retten sind.

Der Main Act mit Müllsäcken an den Füßen

Für unser zweites Festival 2006 wollten wir Revolverheld buchen. Als unbekannte Veranstalter war es schwer, an Bands heranzukommen. Die bekamen 50 Prozent ihres Honorars als Vorkasse und den Rest zwei Stunden vor der Show bar auf die Hand, dann erst sind sie auf die Bühne gegangen. Meine Tante und mein Onkel halfen uns, die fünfstellige Vorkasse zu zahlen – und Revolverheld spielten. Für 2008 erhofften wir uns den Durchbruch. Wir hatten ein Gelände direkt an der Elbmündung, anmooriges Schwemmgebiet. Eigentlich schön. Aber es regnete in fünf Tagen 110 Liter auf den Quadratmeter. Das Gelände lief voll wie eine Badewanne, in der ganzen Region gab es keine Gummi­stiefel mehr zu ­kaufen. Sportfreunde Stiller waren­
Headliner, und wir bekamen ihre Technik 
nicht auf die Bühne, weil es so schlammig 
war. Sie spielten trotzdem, sie standen dort mit Müllsäcken an den Füßen und in Regenjacken, nur mit ihren Gitarren. Unser Glück.

Wenn der Headliner nicht gespielt hätte, hätten die Besucher vielleicht einen Teil des Ticketpreises zurückgefordert. Aber auch so war dieses Wochenende das härteste in meinem Leben: Fast keine Einkünfte aus der Tageskasse, wir hatten 250 000 Euro Schulden. Erklär das mal mit Anfang 20 deinen Eltern und Groß­eltern. Sie sagten: Mach dein Studium ­fertig, such dir einen ordentlichen Job. Ich antwortete: Aber das ist, was ich kann! Für Daniel und mich hieß es: ganz oder gar nicht. Ganz!, entschieden wir. Natürlich stritten wir uns auch. Aber meist ­arbeiteten wir einfach weiter. Jede Woche habe ich 48 Gläubiger angerufen und sie um Geduld gebeten.

Sandiger Geestrücken: Das ist guter Festivalboden

Der Durchbruch kam 2009, wir fanden ein neues Gelände am Seeflughafen, sehr sandiger, hochgelegener Gee­strücken, der verträgt auch mal Starkregen, ohne dass man die Veranstaltung unterbrechen muss. Wir konnten erste Rechnungen bezahlen. Dann holten wir den Konzertveranstalter FKP Scorpio ins Boot, der sich mit 50 Prozent betei­ligte. Jedes Jahr stiegen die Besucher­zahlen, 2011 schrieben wir eine schwarze Null, waren erstmals ausverkauft. 

Inzwischen sind wir bei gut 55 000 Gästen – mehr als Cuxhaven Einwohner zählt. Die Acts werden teurer, der Sicherheitsstandard steigt, die Ansprüche der Besucher wachsen. Wir wollen nicht wie viele unserer Mitbewerber 200 Euro 
und mehr pro Ticket verlangen. Also geht es vorrangig über die Besucherzahl. Das BWL-Studium habe ich nie abgeschlossen, keine Zeit. Mein Werdegang ist ­Learning by Doing. Gelernt habe ich auch: Kein Festival ohne Versicherung – gegen schlechtes Wetter, Blitzschlag, 
Unbespielbarkeit...

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