Oliver Lorscheid zehrt lange von der Riesenstimmung
Oliver Lohrscheid zehrt lange von der Riesenstimmung
Katharina Dubno
Von wegen alter Sack
Oliver Lorscheid ist Elektrofan der ersten Stunde. Und festival­-erprobt. Nie ohne Ohrstöpsel und die bequemen Sneakers!
Tim Wegner
26.04.2018

Wenn ich auf ein Festival fahre, bin ich schon Wochen vorher aufgeregt. Welche Klamotten packe ich in meinen Beutel? Wann fahren wir los? Welcher Floor um welche Uhrzeit? Und warum tue ich mir all das mit 53 Jahren noch an? Weil mich der Beat antreibt, weil es mich an früher erinnert – ich bin ein Fan der ­ers­ten Stunde. Pure Rhythmen und wenige ­Töne: das ist meins. Ich ging oft ins ­"Dorian Gray" am Frankfurter Flughafen, wo ab Mitte der 1980er Jahre elektronische Musik lief, die hatten das beste Soundsystem weit und breit. Wir legten uns sogar in die Basslautsprecher, um die Musik zu spüren! Die 
Musik sei so eintönig, sagen viele Leute, immer nur boom boom boom. Aber die 5. Sinfonie von Beethoven hat auch viele Wiederholungen – und die müssen sein, damit die Musik in Erinnerung bleibt. Der erste bekanntere Elektrotitel war übrigens "I Feel Love" von Donna Summer, Synthe­sizer, Schlagzeug, Stimme, Wahnsinn.

Es gibt auch was zu sehen: knutschende Einhörner zum Beispiel

Bei Technoveranstaltungen gibt es nicht nur was zu hören, sondern auch zu sehen: Ich liebe die Nebel-Lichteffekte, die Video­shows und die Dekorationen. Ich dekoriere mich natürlich auch, ich wechsle die Shirts, trage mal Glitzerhut oder Hosenträger, da bin ich sogar noch dezent unter all den ­Einhörnern, Hasen oder ­Leuten in Neon­anzügen. Wichtig sind meine Festival-­Sneakers, uralt, schlammbespritzt und innen mit Klebeband zusammenge­halten. Niemals ziehe ich andere Schuhe an! ­Wichtig auch: meine medizinischen Ohrstöpsel, die die Lautstärke reduzieren, aber den Klang nicht zerstören. Hey, alter Sack, holst du deinen Sohn ab?, rief mir beim ­Nature One einer im Spaß zu. 

Tausende tanzen mit einem - das gibts nur auf Festivals

So ein Festival ist ein Marathon, wenn man es ernst nimmt, dieses Mal gab es über 350 DJs und Liveacts. Ich war um halb zwei nachts bei Len Faki, danach bei DJ Hell. Der ist übrigens noch älter als ich, das beruhigt mich. Und ich war sogar auf einem Hard­style-Dancefloor, ganz schneller, harter 
Sound, das gefällt mir sonst nicht, und manchmal kriege ich dabei auch ein bisschen Herz­rasen. Meine Mutter hat immer Angst um mich, so viele Menschen, ihr werdet noch erdrückt, sagt sie. Aber ich fühle mich total sicher. Eine Riesenstimmung, Tausende tanzen mit einem – das könnte man im Club nicht erleben, deswegen zahlt man ja auch so viel Eintritt. Fans der elektronischen Musik freuen sich schon, wenn sich nur ein Ton ändert. Dann jubeln alle. Natürlich ist so ein Wochenende auch eine Flucht aus dem Alltag. Ekstase! Andere trainieren für den Ironman oder fahren Autorennen, ich geh eben auf Technofestivals. Und wenn es nach einer durchtanzten Nacht morgens wieder hell wird, denke ich: Oh Mist, so kurz war’s wieder. Aber ich weiß: Es geht weiter . . . 

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