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Wer ganz schnell ist, kann sie bis zum 22. April noch in der Berliner Akademie der Künste am Brandenburger Tor anschauen: die Installation „Sandkorn“ des israelischen Künstlers Micha Ullman. Den anderen erzähle ich jetzt davon. Hierum geht es: Ein Tischgestell aus Eisen, darauf zwei Glasplatten. Auf der oberen etwas, das wie ein Halbedelstein aussieht, aber ein Vergrößerungsglas ist. Genau darunter auf der tiefer gelegenen Glasplatte ein einzelnes Sandkorn. Eine Lampe strahlt das Vergrößerungsglas an, man beugt sich darüber und erblickt: ein Sandkorn, zum Staunen schön.
Ein stilles Kunstwerk, das dennoch eine politische Dimension besitzt. Es erinnert an einen Ausspruch des damaligen ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat aus dem Jahr 1973, man werde „bis zum letzten Sandkorn“ gegen Israel kämpfen. Und dann geschah eines der ganz seltenen Wunder im Nahostkonflikt: Ägypten und Israel verständigten sich. Heute werden vergleichbare Glückswenden ebenso dringend wie vergeblich ersehnt. Ullmans rotes Sandkorn aber, das er in der Nähe seines Wohnorts bei Tel Aviv vom Erdboden aufgehoben hat, steht für die Notwendigkeit der Hoffnung.
Wenn man es betrachtet, können einem auch biblische Bezüge in den Sinn kommen: die Gedanken Gottes, die unzählbar sind wie der Sand am Meer, die vielen Nachkommen, die den Urvätern Abraham oder Jakob verheißen werden, und die Kinder Israels, die so zahlreich sein sollen wie der Sand am Meer. Im Grund jedoch und am Ende kommt es nicht auf die ungeheure Menge, die schiere Masse an, sondern auf das individuelle, unersetzbare, einzelne Sandkorn.
P.S.: Wer sich für wirklich besondere Musik interessiert, dem empfehle ich diese Radiosendung, in der eine wunderbare CD meines Kollegen Klaus-Martin Bresgott und seines Athesinus-Consorts mit Motteten des alten Meisters Samuel Scheidt und einer Neukomposition von Frank Schwemmer vorgestellt wird.