###autor###Hier ist was los. Nach dem Nein zum Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla zieht eine Demo nach der anderen durch die Städte Kolumbiens. Bei uns in Bogotá gehen Hunderttausende auf die Straße. Vor allem junge Erwachsene, alle in Weiß gekleidet. Sie skandieren: „Si por la Paz“ – Ja zum Frieden. Das Ergebnis des Referendums im Oktober kam völlig überraschend für alle, die ich kenne. Wir waren fassungslos, stocksauer, entsetzt. Ein paar Wochen vorher war der Friedensvertrag mit großem Brimborium unterzeichnet worden, alle Beteiligten symbolisch in Weiß gekleidet, und nun das! Viele empfinden das Nein als einen Schlag ins Gesicht der unzähligen Todesopfer. Die Künstlerin Doris Salcedo hat den zentralen Plaza de Bolivar komplett mit weißen Tüchern ausgelegt, mit den Namen der Ermordeten.
Auch ich finde es schwer zu verstehen, warum die Kolumbianer diese Chance nicht ergriffen. Als ich vor 17 Jahren hierher kam, war dies ein Land im Kriegszustand. Fuhr man aus Bogotá heraus, traf man alle hundert Meter auf Soldaten. Rechts und links der Landstraße waren regelrechte No-Go-Areas, von den Rebellen kontrollierte Gebiete. 2001 gab es über 3000 Entführungen. Ich kenne mindestens zwei Personen, die entführt wurden. Gegen hohe Lösegeldzahlungen kamen sie wieder frei. Aber man sprach nicht darüber, das wurde totgeschwiegen. Die Angst gehörte zum Alltag. Dabei gab es immer wieder Versuche, den Kriegszustand zu beenden – bis Präsident Alvaro Uribe 2002 an die Macht kam und aufrüstete. Keine Verhandlungen mit den Terroristen, so lautete seine Devise.
Sein Vater war selbst von FARC-Rebellen ermordet worden. 2010 wurde Juan Manuel Santos Präsident, er änderte den Kurs und nahm Friedensverhandlungen auf. Uribe aber torpedierte diese ständig und schwor die Bevölkerung auf Widerstand gegen Santos ein. Mit Erfolg, wie das Referendum zeigt. Das ist enttäuschend, aber so langsam setzt sich auch ein Gedanke durch: Vielleicht war das Nein gar nicht so verkehrt. Denn jetzt zeigt die Bevölkerung, was sie will. Und Uribe ist in der Bringschuld. Er muss einen Vorschlag machen, wie es weitergeht.