chrismon: Wie sind Seelsorgegespräche rechtlich geregelt?
Annegret Reitz-Dinse: Das Beichtgeheimnis ist Bestandteil des Amtseids, den wir Pfarrer ablegen. Aber die seelsorgerliche Schweigepflicht gilt für alle, die in der Seelsorge arbeiten. Diese Gespräche sind auch gesetzlich geschützt: Vor Gericht müssen wir nichts davon preisgeben.
Wo ist die Grenze der seelsorgerlichen Schweigepflicht?
Die Grenze liegt klar da, wo Gefahren für die betreffende Person oder für andere zu befürchten sind. Diese schwierigen Fälle sind Situationen, in denen Seelsorger die Grenze ihrer Kompetenzen erreichen und zum Beispiel medizinische Hilfe ratsam erscheint. Wenn ich andere Fachleute einschalten muss, breche ich damit gewissermaßen mein Schweigeversprechen, aber immer nur, um eine Gefahr abzuwenden, oder zugunsten einer umfangreichen Versorgung.
Besonders gegenüber den Betroffenen ist das heikel.
Ja, weil ich mich mit meiner Einschätzung irren kann. Ich versuche deshalb zunächst im Gespräch zu erreichen, dass der oder die Betroffene weitergehende Hilfsangebote als positive Lösung ansieht und versteht, dass es seine Entscheidung ist.
Seit dem Germanwings-Unglück wird die Schweigepflicht diskutiert. Ist das gut?
Die Schweigepflicht brauchen wir. Ein Gesprächsuchender muss sicher sein können, dass das Gespräch vertraulich bleibt. Aber wir müssen diskutieren, wie das Vertrauensverhältnis geschützt werden kann, wenn das Schweigeversprechen gebrochen wird. Ein Seelsorger möchte niemandem schaden und wird diesen Schritt nur tun, wenn er eine akute Gefahr sieht, sei es ein Suizid oder eine Gewalttat. Diesen Gewissenskonflikt müssen wir lösen.
Ist das ein Problem?
Wir Seelsorger haben genügend Spielräume, um das Beichtgeheimnis wahren und in Extremsituationen handeln zu können. In der Kirche finden wir Gesprächspartner für diesen Konflikt. Denn wenn ich das Geheimnis breche, aber auch, wenn ich eine Gefahr nicht erkannt habe, brauche ich womöglich selbst Menschen, mit denen ich mich beraten kann. Diese Fälle sind jedoch selten.