chrismon: Ist der Militäreinsatz gegen den IS richtig?
Karl-Heinz Lather: Ja. Die Weltgemeinschaft hat viel zu lange gezögert, in diesen Konflikt einzugreifen. Wir sind erst durch die Flüchtlingsdramatik und dann ganz stark durch die Anschläge von Paris, Tunesien und Bagdad dazu bewegt worden.
Was wollen die Europäer mit den Angriffen erreichen?
Die militärischen Fähigkeiten des IS und seine Führungsstrukturen deutlich reduzieren oder zerschlagen. Und Verhältnisse schaffen, in denen die verfeindeten Parteien eine Nachkriegslösung finden können. Eine friedliche Lösung.
Und zu dieser friedlichen Lösung helfen Militärschläge?
Gleichzeitig soll die Ausbreitung internationalen Terrors durch den IS verhindert werden. Das sind die vorrangigen Ziele. Es geht nicht darum, den IS komplett zu vernichten. Das wird nicht gelingen. Man muss ihn sicher am Ende einbinden in den Friedens- und Versöhnungsprozess.
Wie soll das aussehen?
Parallel läuft ja der politische Prozess. Wir haben uns spät entschlossen, in der Koalition derer, die Luftangriffe fliegen, mitzumachen. Wir können uns nicht auf Dauer aus der Verantwortung herausnehmen.
Der IS hat einen jordanischen Piloten lebendig verbrannt und diese Bilder im Internet verbreitet. Was, wenn der IS einen Tornado abschießt?
Die Tornados fliegen in großer Höhe und machen Fotos und Radaraufklärung. Ich halte die Gefährdung für den Piloten nicht für besonders schwerwiegend. Der IS kann kaum in diese Höhe schießen. Im Fall eines jordanischen Piloten ist es leider gelungen.
"Ich bin ziemlich sicher, dass es keine schnelle Sache wird"
Der IS verbreitet, der Westen führe Krieg gegen das angebliche Kalifat. Jetzt bestätigen wir ihre Propaganda!
Das ist kein Krieg. Staaten führen Krieg gegeneinander. Die Weltgemeinschaft erkennt den IS aber nicht als Staat an. Wir bezeichnen ihn als Terrororganisation.
Wird der IS den Angriff des Westens nicht eher dazu nutzen, noch mehr Freiwillige zu rekrutieren?
Deshalb muss neben diesem Militäreinsatz anderes laufen: das Gespräch mit unseren eigenen Muslimen in Deutschland und das Gespräch mit Staaten wie Saudi-Arabien, der Türkei, Russland, dem Iran und Frankreich, die alle eigene Interessen haben. Was uns eint, ist der Kampf gegen diesen islamistischen Terror und für die Befriedung der Region. Man setzt Militär mit ein, um Zeit zu gewinnen. Den Friedensprozess müssen die Politiker gestalten.
Wie soll das gehen: Krieg führen und gleichzeitig befrieden?
Da ist die Kritik der Opposition und der Kirchen teilweise berechtigt: Man kann das strategische und politische Ziel nicht klar formulieren. Allerdings hat auch bisher niemand eine Lösung parat, wie man die Bürgerkriegsparteien in einen Konsens einbinden könnte.
Hat der Einsatz von Militär jemals irgendwo geklappt?
Auf dem Balkan. Da wurden wir vor 25 Jahren aktiv. Bosnien und Herzegowina ist befriedet, auch wenn der Konflikt nicht endgültig gelöst ist. Auch im Kosovo steht das Militär immer noch in der zweiten, dritten Reihe, um abzusichern. Der dortige Konflikt wird aber nicht mehr militärisch ausgefochten. Ich hoffe, dass das in Syrien und im Irak auch gelingt. In Afghanistan hat der Militäreinsatz nicht durchgreifend geholfen. Aber die Situation ist wesentlich besser als zu Beginn des Afghanistaneinsatzes. Das wird in unserer oberflächlichen Debatte häufig vergessen.
Wie lange wird der Einsatz dauern?
Ich bin ziemlich sicher, dass es keine schnelle Sache wird. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands spricht von zehn Jahren. Aus meiner Sicht: eher länger als ein Jahr, aber weniger als zehn Jahre.
Sind wir jetzt also doch im Krieg?
Völkerrechtlich nicht. Aber die Menschen, die dort im Einsatz sind, werden es so empfinden.