Die französischen Regionalwahlen am 6. und 13. Dezember haben den Rechtspopulisten vom Front National einen noch vor kurzer Zeit kaum vorstellbaren Zulauf beschert. Besorgte Frage in allen Medien: Zerbricht die Idee eines offenen, gemeinschaftlichen Europas ausgerechnet an Frankreich, dereinst mit den Benelux-Staaten, Italien und der deutschen Bundesrepublik Gründungsmitglied desselben?
Wer in Frankreich unterwegs ist, ob in der Picardie, im Nordwesten, oder in der Provence, dem Land der Weine und der Touristen, kann es überall erleben: Die Menschen sind enttäuscht von den beiden großen Lagern, die das Land in den vergangenen Jahrzehnten wechselweise regiert haben, von den Linken ebenso wie von den Bürgerlichen. „Große Worte, keine Taten“, lautet der knappe Kommentar. Die Steuern steigen, die Wirtschaft macht schlapp. Die Integration von Millionen zugewanderter Menschen gelingt nur unzureichend.
Da kommen die großen Worte der Marine Le Pen gut an. Die Rechtspopulistin reitet mit Wonne und Schläue nach den Pariser Anschlägen auf dem größten Defizit der Grande Nation in die Welt zweistelliger Wahlresultate: Frankreich ignoriert seit einem halben Jahrhundert die Integrationsaufgaben, die aus seinem einstigen Kolonalismus in Nordafrika und Arabien rühren.
Die meisten Franzosen wissen, dass mit dem Front National an der Macht nichts verbessert, Gewalt und Unfrieden im Lande aber weiter genährt würden. So ging die Mehrheit gar nicht zur Wahl. Die beiden großen Lager sollten die Wahlresultate als den möglicherweise letzten Weckruf begreifen, die wirtschafts-, bildungs- und strukturpolitischen Probleme gemeinsam anzugehen. Nur so können sie das Vertrauen der Enttäuschten und Verunsicherten wiedergewinnen.
Für die deutschen Nachbarn bleibt festzuhalten: Der parolenarme, pragmatische Stil der hiesigen Politik – ob Schmidt, ob Kohl, ob Schröder oder Merkel und Steinmeier – mag langweilig wirken. Die Methode des „Wir schaffen das, auch wenn immer neue Probleme auftauchen“ möge 2016 weiter gelten. Nichts nervt die Hetzredner von AfD und Pegida mehr als problemorientierte Sachlichkeit. Weiter so!