Illustration Nilpferd
Illustration: Daniel Napp/Löwen mögen schöne Zöpfe/Carlsen Verlag 2015
Pfff! Der Luftstrom sprengt das P zum F
Der Autor und Illustrator Daniel Napp über hochdeutsche Lautübungen und sonderbare Tiere
27.07.2015

chrismon: Haben Sie als Kind gestottert?

Daniel Napp: Nein, gelispelt.

Sind Sie deshalb Illustrator geworden?

So schlimm war es nicht. Ich habe immer gezeichnet, am liebsten im Religionsunterricht. Mein Religionslehrer ließ mich zeichnen, und ich gab ihm nach der Stunde die Zeichnungen. Jetzt hat Herr Knöll mein Frühwerk.

War Religion so langweilig?

Gar nicht. Aber unsere „Reliheftchen“ waren interessanter. Ich habe den Fotos Details hinzugefügt, die den Sinn ins Gegenteil verkehrten. Heilig war mir da nichts.

Jetzt erschien Ihr Laut-Lesebuch „Löwen mögen schöne Zöpfe“. Wieso beschäftigen Sie sich mit Lauten?

Ich dachte immer, ich spreche normales Hochdeutsch. Als ich aber auf dem Literaturfestival „lit.Cologne“ lesen sollte, habe ich mich probeweise aufgenommen und zu meinem Schrecken festgestellt, dass man neben dem kleinen Lispler auch einen Dialekt hört, aus Rheinland-Pfalz. Da habe ich mir Hochdeutsch beigebracht. Dabei ist auch mein Lispler verschwunden.

Wie haben Sie das gemacht?

Mit einem Trainingsprogramm für Schauspieler und Sänger. Das bekannteste ist „Der kleine Hey“ von Julius Hey mit über 51 Lauten. Ich habe bei jedem versucht herauszufinden, wie er korrekt gebildet wird. Außerdem stieß ich auf die Sprechtechnik-Übungen von Felix Rellstab. Das Tolle daran sind die Lesetexte am Schluss.

Zum Beispiel?

Sie zog sich zum Seil empor, setzte erst etwas zögernd, dann selbstsicher Fuß vor Fuß und tänzelte graziös übers Seil zur anderen Seite. – Mit solchen Sätze habe ich mein Lispeln abtrainiert. Und gemerkt, dass Bilder im Kopf entstehen. Viele dieser Texte sind skurril. Irgendwann dachte ich, das versuche ich auch mal.

Für Kinder.

Genau. Das war die erste Schwierigkeit. Die Geschichten sollten für Kinder verständlich sein. Aber was noch viel schwerer war: Sie mussten sinnvoll sein.

Warum?

Wenn ein Schauspieler Laute trainiert, weiß er, warum er das macht. Er braucht keine Geschichte. Kinder würden da schnell abschalten. Meine Laut-Geschichten sollten einen Erzählbogen haben. Zum Beispiel so: Pförtner Pfeifer mampfte Krapfen, als Pauline Pfaff auf ihrem gepflegten Pferd durch die Pforte stapfte. ‚Pfui Teufel!‘, schimpfte Pfeifer naserümpfend, als ein gepfeffertes Pfund Pferdeäpfel aufs Pflaster klopfte. Pflichtbewusst wollte sich Pfeifer das Pferd vorknöpfen, um es am empfindlichen Schopfe zu rupfen. Doch die pfiffige Pauline Pfaff dampfte pfeilschnell auf ihrem Pferd davon.

"Das Sch hat mir Spaß bereitet"

Manchmal kommen schwierige Wörter vor: „para­lysiert“, „Spionageabwehr“. Verstehen Kinder das?

Vielleicht im Zusammenhang. Ich teste in meinen ­Büchern gerne aus, wie weit ich gehen kann. Ich setze auch Ironie für Kinder ein, die sie ja noch nicht verstehen.

Wie reagieren Kinder?

Sie wundern sich, freuen sich, dass ihre Eltern so viel Spaß haben und lachen mit.

Wie kamen Sie auf die Ideen für die Laut-Geschichten?

Ich habe auf Webseiten für Kreuzworträtsellöser zu ­jedem Laut Tausende von Wörtern gesammelt, zum Beispiel alle Wörter die mit A anfangen, oder die ein ch in der Mitte haben. Dann habe ich Wörter rausgesucht, die bei mir Assoziationen auslösen. Pro Laut kam ich auf etwa hundert interessante Wörter. Die habe ich miteinander kombiniert. Der Witz kam fast von alleine.

Auch beim Buchstaben X?

Da gibt es nur wenige Wörter. Gerettet hat mich Hexe Xanthippe, die bei ihrer Examensfeier exorbitante Mengen Exportbier auf ex trinkt und ein Taxi nehmen muss. Das Sch hat mir mehr Spaß bereitet. Schloss, Gespenst und Mondschein – Wörter mit dem sch-Laut sind perfekt für eine Gruselgeschichte. Kein Zufall! Der Klang der Sprache hat sich aus der Bedeutung entwickelt.

Wie kamen Sie auf Ihre Bilderbuchfigur Dr. Brumm?

Ich hatte meine Diplomarbeit „Dr. Brumm versteht das nicht“ schon fertig. Nur der Protagonist stand nicht fest. Da war ich in der Schweiz und habe ein Insektenschutzmittel gekauft. So etwas heißt da „Anti-Brumm-Spray“. Es war lustig, den Apotheker das Wort sagen zu hören. Von da an war es der Name für meinen Charakter.

Brumm heißen viele Bären.

Ja, es musste noch etwas hinzukommen. Wahrscheinlich gab es in der Nähe der Apotheke ein Arztschild – und Dr. Brumm war geboren.

Wie entsteht Witz in Zeichnungen?

Subtiler Witz durch einen Blick oder einen Gesichtsausdruck. Der macht mir am meisten Spaß. Slapstick ist, wenn Dr. Brumm hinfällt oder sich auf etwas draufsetzt. Beides setze ich nach Gefühl ein. Es gibt da keine Regel.

Sie zeichnen immer wieder Dinge, die eigentlich nicht ins Bild gehören: einen altmodischen roten Kaugummiautomaten vor Dr. Brumms Haus, mitten auf dem Land.

Ich assoziiere. Ich sehe eine Mauer und denke an einen ­Kaugummiautomaten, der da hängen könnte. Ich schnappe mir den ersten Gedanken, der kommt. Je blöder, desto besser. Die Lampe in Dr. Brumms Esszimmer erinnerte mich an eine Trockenhaube mit Glühbirne drin. Manches entwickelt sich weiter. Im ersten Band war Pottwal ein stummer Statist im Goldfischglas. Im neuen Band, „Dr. Brumms verrückte Abenteuer“, ist er sein ­bester Freund, kann sprechen und Tischtennis spielen.

"Ich muss meine Figuren selbst mögen"

Sind Tiere komischer als Menschen?

Mir macht es Spaß, Tieren menschliche Eigenschaften zu geben. Ein Tiercharakter kann vom Dach fallen und aufstehen, als wäre nichts passiert. Beim Menschen denkt man gleich ans Krankenhaus.

Rezensenten beschreiben die Dr.-Brumm-Bücher als witzig und heimelig. Ist das Ihr Erfolgsrezept?

Vor allem muss ich meine Figuren selbst mögen. Dr. Brumm erlebt viel, ist komisch, mag Kürbissuppe und gibt nie auf. Das gefällt Kindern und Erwachsenen.

Nun verwandeln Sie Otfried Preußlers „Kleines Gespenst“ in ein Bilderbuch.

Ja, ich muss die Geschichte inszenieren und wie ein Regisseur denken: Was zeige ich, was lasse ich weg? Und wie ein Kameramann: mal näher ran, mal weiter weg gehen, die Perspektiven ändern. Das ist wie ein Film, bei dem man alles selber machen muss. Später dann mit Farbe Atmosphäre schaffen. Ich nehme mir viel Zeit. Vier, manchmal fünf Monate für ein Bilderbuch.

Welche Herausforderungen stellt diese Geschichte?

Sie spielt zur Geisterstunde, mitten in der Nacht, dazu in einer Burg. Da muss ich eine überzeugende Lichtstimmung schaffen. Außerdem male ich das Gespenst drei­dimensional – nicht flach wie in den ursprünglichen Zeichnungen von Franz Josef Tripp. Trotzdem soll es aussehen wie das Originalgespenst, wie der Klassiker.

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