Johannes, der Täufer, der Bußprediger, liegt im Gefängnis. Zu sehr ist er der Macht auf den Pelz gerückt, und so haben sie sich seiner entledigt. "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!" das war der Tenor seiner Predigt. Jesus kommt aus der Schule des Johannes, und so nimmt er sein Thema auf. Auch er ist zunächst der Bußprediger. Auch er wird zunächst wie sein Meister ein Asket gewesen sein, "in ein Gewand aus Kamelhaaren" gekleidet, und auch er wird nur "Heuschrecken und wilden Honig" gegessen haben. Auch er wird die Leute, die zu ihm kamen, angefahren haben: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch versichert, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?" Noch war er ein Prophet des Untergangs. Noch hat man ihn nicht Fresser und Weinsäufer nennen können, wie dies später der Fall war (Matthäus (11,19). Noch ist er nicht mit seiner bunten Schar von Huren und Sündern durchs Land gezogen. Noch hat er nicht die Lilien des Feldes gepriesen, die schöner angezogen sind als in Salomonis Seide. Er war zunächst nur der eine: der Mann mit den großen Drohgebärden des Johannes. Noch war er nicht der große Verlocker ins Reich Gottes. Er hatte noch die brennenden Augen des Johannes.
Warum haben die Propheten mit den brennenden Augen so wenig Erfolg? Sie haben ja Recht mit ihrem Blick in den Abgrund, und sie sehen, was andere nicht zu sehen wagen und wovor diese die Augen verschließen. Sie haben die Phantasie und die Stärke, die Wahrheit zu erkennen und den Tanz auf dem Vulkan nicht mitzutanzen, den alle mit verstopften Ohren und geschlossenen Augen tanzen. Vielleicht, weil die Androhung des puren Schreckens niemanden bekehrt und verändert. Vielleicht vergessen sie, dass kaum jemand von der Sünde weggeprügelt werden kann. Wohl kann man zu einem anderen, reicheren Leben verlockt werden. Der verstorbene brasilianische Armenbischof Hélder Câmara hat in einem Gebet geschrieben: "Lehre mich, ein Nein zu sagen, das nach Ja schmeckt!" Das pure prophetische Nein macht die Menschen störrisch. Die spätere Rede Jesu hat aus dem reinen Nein herausgefunden in das Nein, das nach Ja schmeckt. Das Reich Gottes hing nicht mehr wie eine Drohung über den Menschen. Es war gemalt und beschrieben in seiner Schönheit. Jesus droht nicht nur, er verspottet den reichen Kornbauern, der sich und seine Reichtümer mit einer Mauer umgibt und nicht weiß, dass er morgen tot ist. Er malt charmant den Kaufmann, der alles hergibt für die kostbare Perle. Er moralisiert nicht nur und sagt: Vergebt der Ehebrecherin! Mit spielender Hand malt er in den Sand und zeigt den Richtern jener Frau die größere Schönheit der Vergebung. Er isst und trinkt mit Zachäus, dem Oberzöllner und Sünder. Und so wächst dessen Bekehrung, und er sagt: "Die Hälfte meines Besitzes gebe ich den Armen."
Die Güte trinkt mit dem Sünder Bruderschaft, und mit jedem Schluck wird dieser ein Mensch. Es wird nichts ermäßigt, und es wird keinem die Bekehrung erspart. Das Nein wird nicht unterschlagen. Aber es riecht nach Ja. In der Drohung ist die Gnade versteckt. Menschen werden nicht einfach in die Mutlosigkeit gestürzt. Sie lernen: Ja, so kann man leben. Und es wird eine Moral verkündet, bei der es keine Verlierer gibt. So wünsche ich mir die Sprache der Kirche. Sie soll nicht fasziniert sein von den Visionen des Untergangs, fasziniert soll sie sein von der Stimme des Rechts und der Güte. Auf diesem Weg können Menschen ihr folgen.