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„Journalisten sind Nervensägen“, stellte meine Cousine Elisabeth kurz und bündig fest. Gerade hatte sie über ein neues Kleid gesprochen, das „viel schöner ist wie das letzte“, das sie in dem Laden gekauft hatte. „Schöner als!“, unterbrach sie mein Vater, Journalist. „Nicht das letzte, sondern das zuletzt gekaufte“, fügte meine Freundin, Journalistin natürlich, hinzu. Ja, so sind wir. Mein Sohn weiß ebenfalls, wie anstrengend es ist, sich ständig mit diesen Wortklaubern, Bessertextern und Genauwissern auseinandersetzen zu müssen. Man kann nicht mal in Ruhe Radio hören oder eine Sportsendung im Fernsehen anschauen. Niemand ist diesen Sprachpedanten gut genug.
Und ich gebe gerne zu, dass der Sohn recht hat. Ich kann es nicht leiden, wenn „Un-Worte“ gesteigert werden. Unmöglich! Unmöglicher und am unmöglichsten gibt es nicht. Oder: Das Optimalste! Optimal kommt aus dem Lateinischen und heißt schon „am besten“. „Da könnte ich auf der Sau über den Friedhof reiten“, wie mein alter Lokalchef vor sich hin schimpfte, wenn er sprachlich bedürftige Texte von freien Mitarbeitern zu redigieren hatte. Einer seiner Lieblingsfeinde war „ein Lehrer natürlich, Fach? Was meinen Sie, Brummer? Deutsch!“ Dieser verdiente Pädagoge lieferte fast täglich für mageres Zeilengeld lange Texte aus den Dörfern im Nordschwarzwald, gerne auch sogenannte „Kulturkritiken“. Da hieß es dann über ein Adventskonzert des Posaunenchors: „Das Konzert begann mit dem ersten Stück...“ – „Mit welchem denn sonst!“, raunzte der Chef. Ich saß ihm gegenüber und freute mich.
Die Rhetorik befreit von aller sprachlicher Enge
Was mich jedes Mal aufs Neue trifft: Selbst in von mir geschätzten Radiosendern gibt es Menschen, die steigern „naheliegend, naheliegender, am naheliegendsten“ statt „näherliegend, nächstliegend“. Oder eine Stimme erzählt: „Sie taten sich gegenseitig weh.“ Das heißt „einander“! Oder singen wir künftig: „Es waren zwei Königskinder, die hatten sich gegenseitig so lieb“?
Nicht falsch verstehen: Wenn Menschen auf der Straße, im Laden oder im Wirtshaus so reden, ist es nicht weiter schlimm. Insoweit hat meine Cousine durchaus recht. Wenn man in jedem zweiten Satz, wo man sagt, unterbrochen wird, nur weil man grammatikalisch inkorrekt formuliert hat, dann ist das der Tod jeder Unterhaltung. Aber so wie Profiköche erklären, dass man Leber erst nach dem Braten salzt, so können Leute wie mein Vater, mein Ausbilder – und zuweilen ich – einfach nicht aus ihrer Haut. Sie meinen es nicht böse, wenn sie verbessern. Es tut ihnen im Augenblick einfach nur weh, wie dem Pianisten der falsche Ton. Übrigens: Ist Ihnen schon aufgefallen, wie inflationär das Wort „einfach“ verwendet wird? Ich sage einfach, dass mir das einfach nicht gefällt, wenn einfach in jedem Satz drei Mal „einfach“ verwendet wird. Nicht böse sein – ich kann halt einfach nicht anders. Das ist übrigens das Schönste: wenn „halt“ und „einfach“ auch noch in Kombination auftreten. Neulich erst wieder im Museum. Die junge Historikerin, die uns durch die Ausstellung führte, musste halt einfach in zehn Minuten gezählte einundzwanzig Mal diese Kombination verwendet haben. Sie vermuten richtig: Weil ich vollkommen auf diese Zählerei fixiert war, habe ich irgendwann halt einfach nicht mehr mitbekommen, was sie an Interessantem mitzuteilen hatte.
Journalisten sind Nervensägen. Und am unglaublichsten, am unübertrefflichsten ist es, wenn man einen dieser Sprachästheten bei einem groben Patzer erwischt. Ist einem meiner Gegenüber neulich gelungen. Ich hatte erzählt, dass es absolut sinnlos sei, morgens am Hauptbahnhof auf einen Parkplatz zu hoffen, und „noch sinnloser“ sei es, die Parkhäuser abzuklappern, die seien alle restlos überfüllt. Den falschen Komparativ – die Steigerung von „sinnlos“ – hatte er zur Gaudi der Zuhörenden entdeckt. Doch der letzte Triumph blieb mir. Und was habe ich noch falsch ausgedrückt, was in diesem Satz ist sinnlos, übertrieben, überflüssig? Haha! Das „restlos“ vor „überfüllt“. Nun hub eine Diskussion an, ob die Steigerung von nicht mehr steigerbaren Begriffen nicht als rhetorisches Stilmittel doch erlaubt sei. Ich finde, wir diskutieren solche Fragen viel zu selten. Ein ständiges Gespräch über Reden und Schreiben – die perfekteste aller Welten.
Das "Optimalste" ist halt besser als
Sehr geehrter Herr Brummer,
es ist uns immer wieder eine große Freude, Ihre "Notizen" zu lesen.
Danke für diese kurzweilige Art.
Ein Wort, wie für Sie "halt" und "einfach", ist für uns "eigentlich". Diesen Füller kann man halt eigentlich einfach weglassen.
Insgesamt gefällt uns die chrismon plus immer wieder sehr gut.
Wir wünschen Ihnen und Ihren KollegInnen alles Gute und freuen uns auf die November-Ausgabe.
Viele Grüße von Jens & Ramona Maneck
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