Christoph Markschies ist Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin - Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz
Christoph Johannes MarkschiesThomas Meyer/OSTKREUZ
17.06.2013
5. Sonntag nach Trinitatis
. . . Da sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Und Simon sprach: Meis­ter, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen . . . Und sie fingen eine große Menge Fische, . . . und füllten beide Boote voll, so dass sie fast sanken. Als das Simon sah, fiel er Jesus zu Füßen . . . ein Schrecken hatte ihn erfasst.
Lukas 5,1-11

Was der Evangelist Lukas über den Fischzug des Petrus berichtet, kenne ich, auch wenn ich kein Fischer bin. Da sagt ein
Fischer am See Genezareth zu Jesus:

„Meis­ter, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Ich denke sofort an einsame Nächte vor dem Computer. Die ganze Nacht gearbeitet, Texte gelesen, Lexika gewälzt, Aufsätze ausgedruckt, aber keinen wirklich originellen Gedanken für den Vortrag eingefangen. Nicht mal das Netz einer Disposition zur Hand. Verzweiflung macht sich breit.

Irgendwann am folgenden Tag muss ich den Vortrag halten. Und schlafen sollte ich irgendwie auch noch. Warum raffe ich mich trotzdem noch einmal auf? Weshalb sage ich den vermaledeiten Vortrag nicht unter dem Vorwand plötzlicher Erkrankung ab? Ich hoffe darauf, dass mir noch etwas einfällt. Nach kurzem Schlaf, beim Zähneputzen, vor der Kaffeemaschine, beim Spitzen der Bleistifte. Mit anderen Worten: Es ist die Kraft meines Selbst­vertrauens, die mir hilft, mich am eigenen Schopf aus einem Sumpf von Unwillen zu ziehen. Der Vortrag wird doch noch rechtzeitig fertig. Meis­tens.

„Du kommst in diese Parklücke herein.“

Der Fischer vom See Genezareth, den Lukas beschreibt, vertraut im Gegensatz zu mir nach einer vergeblich durchgear­beiteten Nacht nicht auf sich selbst. Er sagt: „Auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.“ Er vertraut also auf einen anderen. Auf Jesus von Nazareth, der zu ihm und den anderen Fischern hintrat und sagte: „Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze aus.“ Ganz aus heiterem Himmel vertraut er dem Wanderprediger aus Galiläa natürlich nicht. Der, der da spricht, hat schon zuvor von einem Boot aus eine Menge am Ufer über Welt und Leben orien­tiert. Der Fischzug gelingt, die Netze sind so voll, dass die Boote fast sinken.

„Auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.“ Natürlich verlasse ich mich nicht nur auf mich selbst. Da wäre ich ganz schön verlassen. Es gibt auch andere Menschen, auf deren Worte ich mich etwas traue, auf deren Worte ich traue. Manchmal ganz alltägliche Dinge. Sie sagt: „Du kommst in diese Parklücke herein.“ Ich werde ganz ruhig und rangiere mit ihrer Hilfe in die enge Lücke zwischen zwei anderen Autos. Manchmal aber auch weniger alltägliche Dinge. Wir können es miteinander wagen. Auf dein Wort will ich es wagen, sage ich zu ihr.

Manchmal wird mir auch bewusst, dass ich etwas auf das Wort Jesu von Nazareth hin wagen kann. Meist hat er auch da eine Weile gelehrt, bevor ich Vertrauen fasse – beispielsweise, indem ich seine Worte im Gottesdienst verlesen hörte. Oder darüber am häuslichen Schreibtisch nachdachte. Dann fasse ich Vertrauen, fühle mich frei, etwas zu wagen, einen neuen Anlauf beispielsweise.
Die Fischer am See, von denen Lukas berichtet, erschrecken, als sie die wider Erwarten vollen Netze aus den Booten ziehen.

„Nun vertrau mal schön . . .“

Selbstverständlich ist es nicht, dass wir etwas wagen und aus unseren Mut­losigkeiten noch einmal aufbrechen. Man schaut mindestens verwundert zurück, wenn es gelingt. Und manchmal regelrecht erschreckt darüber, was da passiert ist. Natürlich fallen wir nicht tot um wie der berühmte Reiter aus der Ballade von Gustav Schwab, der plötzlich bemerkte, dass er über den vereisten Bodensee geritten war. Aber es wird uns gelegentlich plötzlich bewusst, dass es eine kostbare Gabe ist oder ein wertvolles Geschenk, auf andere zu vertrauen. Selten etwas, zu dem wir uns ermahnen können, nach dem Motto: „Nun vertrau mal schön.“

Die Geschichte, die Lukas vom Fischzug des Petrus erzählt, erinnert mich daran, wie dankbar ich für das Geschenk sein kann, dass ich Vertrauen zu an­deren habe, und was mir für reiche Ernte durch solches Vertrauen immer wieder geschenkt wurde.

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Sehr geehrter Herr Christoph Markschies. Ich zweifle nicht die Erbauungswirkung Ihrer Ausführungen zu dem oft Gehörten. Vertrauen zu leben ist wirklich Glück. Doch Sie haben eine blinde Stelle, die für mich als Tierrechtler 100 % sind: Sie feiern einen Massenmord an (wenn auch angeblich stummen) empfindsamen Wesen als Triumpfbeispiel der Christlichkeit. Damit setzen Sie die unheilige Tradition der Kirche fort, unsere tierischen Geschwister als Unterwesen (vergleiche "Untermenschen") zu predigen (Massentötung an denen aus niedrigen Beweggründen - wie "schmecken gut" - geht demnach völlig ok). Da ich Sie sonst in den Medien nur als angenehmen und glaubwürdigen Intellektuellen kenne, bin ich über diese Herzblindheit besonders entsetzt.

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Zitat aus dem Artikel: "Sie sagt: "Du kommst in diese Parklücke herein." Ich werde ganz ruhig und rangiere mit ihrer Hilfe in die enge Lücke zwischen zwei anderen Autos." Einparken ist also Vertrauenssache. Jesus gibt heiße Fischfangtipps und das Boot wird brechend voll. Die Beifahrerin ermuntert zum Einparken und schon gelingen die Lenkeinschläge und Korrekturzüge. Und ich dachte immer, beim Einparken wären gute Sicht auf das vordere und hintere Ende des eigenen Wagens und Übung der springende Punkt. Vertrauen ist gut, Parkassistenzsysteme sind besser? Nix da! Bibellektüre muss Teil des Fahrschulcurriculums werden!

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Werter Hikaru Sulu, sie stehen wohl immer noch unter Einfluss des Psi-2000-Virus.
Es ging damals nicht um "schmeckt gut", es ging Nahrung, um leben, um sein oder nicht sein.
Heute mag das anders sein.