Marianne Menke
Mit einer Oper lässt der Kirchen­tag den größten ­Helden des Protestantismus wieder aufleben: Dietrich Bonhoeffer. Und das ­Publikum soll aus dem ­Drama etwas mitnehmen. Wie hätten wir uns damals wohl ­verhalten?
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
09.04.2013

Dietrich Bonhoeffer ist einer der ganz Großen unter den Protes­tanten – weil er sich so beharrlich und öffentlich unter fürchterlichen Verhältnissen für den Weltfrieden engagiert hat. Unter Lebensgefahr opponierte er gegen die Nazis. Im April 1945 wurde Bonhoeffer im KZ Flossenbürg ermordet.

Gerhard Robbers, rheinland-pfälzischer Verfassungsrechtler, will als Präsident des diesjährigen Kirchentages mit etwas Außergewöhnlichem aufwarten, mit einer Opernpremiere. Auch der Stoff dieser neuen Oper soll groß sein – klar, Dietrich Bonhoeffer. Nur: Taugt eine so unumstrittene Persönlichkeit für die Bühne, das Musikdrama? Wo ist da der Konflikt?

Robbers wandte sich an den Präsidenten der Hamburger ­Musikhochschule. Der war begeistert, trommelte Librettisten, Komponist und Regisseurin zusammen. Entstanden ist ein Werk, das an drei Tagen des Kirchentags in der Kampnagelfabrik aufgeführt wird: „Vom Ende der Unschuld“.

Eine Bonhoefferoper ohne Bonhoeffer

Erzählt wird eine Geschichte, die sich auch Bonhoeffer-Unkundigen erschließt. Ein Stück über Recht und ­Unrecht, Verführung und Widerstand. Am Ende, so die Librettisten David ­Gravenhorst und Theresita Colloredo, solle sich das Publikum fragen: „Wie würden wir uns verhalten? Wann läuten bei uns die Alarmglocken?“

Bonhoeffers Widersacher war Adolf Hitler. – „Keine Hitler-Karikatur!“, entschied das Autorenduo, und kein ekelhafter Antiheld, gegen den sich das Publikum von vornherein verschwört. Also lösten sie sich vom historischen Stoff und schrieben eine Parabel: Ein großer landwirtschaftlicher Betrieb gerät in Not. Ein Heilsbringer verspricht Wohlstand, der aber nur auf ungerechte Weise erworben werden kann. Zunehmend offenbart der Heilsbringer seine zerstörerische Kraft.

Hauptfigur der Oper ist Heman (benannt nach einem alttestamentlichen Lehrer, Psalm 88,1). Nur wenige wichtige Tatsachen aus Bonhoeffers Leben fließen in die Figur ein. Wie Bonhoeffer ahnt Heman früh das drohende Unheil und distanziert sich vom allgemeinen Gefühl des Aufbruchs. Auch Heman verlässt seine Heimat und kehrt unter Lebensgefahr zurück. Auch er spricht sich gegen eigene Bedenken für den Tyrannenmord aus.

In der Oper heißt der Tyrann Drako. Er ist nicht Hitler, er darf auch dem Publikum gefallen. Er begeistert die Gutsbewohner für den Bau eines Staudamms gegen eine anhaltende Dürre. Heman kritisiert, der Plan schade den umliegenden Höfen. Doch er formuliert alles schrecklich kompliziert. Eigene Pläne, wie der wirtschaftlichen Not beizukommen wäre, hat er nicht.

"Bonhoeffer hätte die Oper gutgeheißen"

Ein Auszug aus dem zweiten Akt: Heman und seine Zwillingsschwester Germa sind die erwachsenen Kinder der Gutsherrin. Drako will Germa heiraten und zieht sie auf seine Seite. Er schenkt ihr ein neues Kleid. Zögerlich gibt Heman zu: „Schön bist du.“
Germa: „Aber?“
Heman: „Sieh dich vor, Germa . . . lass dich nicht so schnell verführen.“
Germa: „Wer will mich verführen?“
Heman: „Dein Herz!“
Germa: „Es ist doch nur ein Kleid. . . Und ein Geschenk.“
Heman: „Von Drako! Germa, hier fängt etwas an, worauf du gar nicht vorbereitet bist. Es wird dich überwältigen – wie ein Rausch.“

"Bonhoeffer hätte die Oper gutgeheißen", vermutet sein Biograf Ferdinand Schlingensiepen: „Sie stellt Fragen, die ihn und seine Freunde bewegt haben.“ Auch sei Bonhoeffer musikalisch gewesen, habe Opern geliebt, habe sich mit seinen Studenten einmal auf eine „Parsifal“-Aufführung vorbereitet und sie mit ihnen besucht.

Mehr noch: In manchen Szenen treffe die Oper die Stimmung von damals, sagt der 83-jährige Schlingensiepen. So etwa im zweiten Akt, als Drako die Sitzordnung auf dem Gutshof ändert und die Knechte an einen Tisch mit den Herren setzt. „Rebellion am Mittagstisch, und wir sind erst bei der Suppe“, kommentiert die Köchin trocken. Auch damals hätten einfache Leute auf ­ihre Weise zu verstehen gegeben, dass ihnen die Begeisterung für ­Hitler zuwider sei.

Drako lässt die Knechte zu Treueschwüren antreten. Widersacher werden  ausgepeitscht. Die Köchin verschwindet. Die ­Brutalität auf dem Gutshof nimmt weiter zu. Heman, nach ­kurzer Abwesenheit wieder auf dem Hof, ringt mit Gott und entschließt sich zum Attentat. Die Oper endet – wie die Nazizeit – in der Katastrophe.

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Bonhoeffer hat sich für den Frieden eingesetzt, für Abrüstung und Wehrlosigkeit, aber wer weiß das noch, berühmt ist er doch für seine Entscheidung bei Attentatsversuchen mitzuwirken, insbesondere dem vom 20. Juli... erst dadurch wurde er zum Held des Protestantismus und der Bundeswehr. Der gute Soldat de Maziere meint sich deshalb auf Bonhoeffer berufen zu können, wie alle anderen NATOmilitaristen in und außerhalb des Protestantismus, was sicherlich falsch ist, denn zumindest der Einbindung in das Atomkriegsproramm der NATO hätte er sicherlich seine Zustimmung verweigert, wer weiß, vielleicht hätte er diesem Rad womöglich auch in die Speichen greifen wollen, einen Atomkrieg in Erwägung zu ziehen, wäre sicherlich eine schwere Sünde in den Augen Bonhoeffers gewesen, ebsenso wie das Vorhalten einer so gigantischen Armee ohne vernünftigen Grund, ja, ein bleibender Verlust, dass er so früh gestorben ist, er würde heute bestimmt nicht gefeiert auf den Kirchentagen, hätte er den Krieg überlebt und die neue Politik kommentieren dürfen, angefeindet werden würde er von der ganzen theologischen und kirchlichenProminenz. Ach, Bruder Bonhoeffer.