Liebe chrismon-Leser und -Leserinnen,
diese Woche tagen in Würzburg die Kirchenparlamentarier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Gleich zu Beginn gab es klare Worte vom EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm: Sexueller Missbrauch sei ein Verbrechen, das die Kirchen in ihrem Kern treffe. Es könne keinen "tieferen Widerspruch" zur radikalen Liebe Jesu Christi geben, sagte er zum Auftakt der Synode. Mit großer Spannung und Anspannung schauen die 120 Synodalen (und wir Journalisten) nun auf den morgigen Dienstag, wenn das Thema Missbrauch auf der Tagesordnung steht. Bischöfin Kirsten Fehrs wird dazu eine Rede halten. Seelsorger sind im Saal, denn auch Betroffene werden anwesend sein. Und vielleicht haben ja auch einige Synodale schlimme Erfahrungen gemacht.
Das alles ist wichtig und richtig. Denn nicht nur die katholische Kirche hat bei diesem Thema viel aufzuarbeiten. Auch in der evangelischen Kirche ist noch viel Luft nach oben. So hat zum Beispiel bisher nur die Nordkirche eine zentrale Meldestelle eingerichtet und einheitliche Regelungen zum Meldeverfahren erlassen.
Im Juni machten Betroffene ihrem Ärger bei einer öffentlichen Anhörung in Berlin Luft. Sie berichteten, dass sie in Kirchenämtern gegen Wände liefen, als sie forderten, dass ihnen zugehört wird und dass die Täter bestraft werden. Sie erzählten, wie sie vertröstet wurden, vergeblich auf Rückrufe warteten, und erst ernst genommen wurden, wenn sie mit Anwälten drohten oder die Presse berichtete. Kerstin Claus zum Beispiel. Sie schilderte evangelisch.de-Redakteurin Lilith Becker, wie sie als Jugendliche von einem Pfarrer missbraucht wurde und wie Seilschaften unter Pfarrern dazu führten, dass der Täter nur milde Auflagen bekam.
Ursula Werner kann mittlerweile die Vergangenheit ruhen lassen, erzählte sie chrismon-Redakteur Burkhard Weitz. Aber auch sie musste mehrfach Anlauf nehmen, bis ihr die Kirche Gehör schenkte und ihrem Fall nachging.
Evangelische Pfarrer müssen nicht zölibatär leben, und die Hierarchien sind nicht so ausgeprägt wie in der katholischen Kirchen. Aber auch hier gibt es autoritäre Systeme, selbstherrliche Pfarrer, die meinen, sich alles leisten zu können, und Klüngel, die bei der Vertuschung helfen.
Künftig soll es eine zentrale externe Anlaufstelle für die Betroffenen geben, flächendeckend Schutzkonzepte und einen fünfköpfigen "Beauftragtenrat", der aufpassen soll, dass die Maßnahmen nicht im Sande verlaufen. "Wir haben die Wichtigkeit und Dringlichkeit erkannt", sagte Synoden-Präses Irmgard Schwaetzer.
Ich grüße Sie herzlich von der Synode
Claudia Keller
chrismon-Redakteurin