15.05.2017

Liebe Leserinnen und Leser,

„Obwohl sie/ Unschlagbar scheinen/ Werden wir Helden/ Für einen Tag/ Wir sind dann wir/ An diesem Tag“, sang David Bowie 1977 in „Heroes“, einem seiner bekanntesten Songs. Gegen einen scheinbar unschlagbaren Gegner aufzustehen und etwas tun – sei es gegen einen zwielichtigen Bösewicht, gegen Armut und Gewalt oder gegen die tödliche Krankheit des eigenen Kindes: Das macht einen echten Helden aus!

Nicht nur für einen Tag schlüpfen etwa die sogenannten „Real Life Superheroes“ der Gruppe „Xtreme Justice League“ aus unserer aktuellen Titelgeschichte in ihre Kostüme. Regelmäßig patrouillieren sie in San Diego, sammeln Spenden und helfen Obdachlosen. Klassisch amerikanische Helden eben: Jeder kann anpacken und für das Gute kämpfen. Aber warum muss man dafür diese lächerlichen Kostüme tragen? Fotografin Verena Brandt erklärt das in der Audio-Slideshow.

In der Sowjetunion war das ganz anders, erzählt der Schriftsteller Wladimir Kaminer. Dort wurden Helden nicht durch ein Wunder geboren, sondern durch harte Arbeit und Staatspropaganda erschaffen. Sie hatten auch keine Kostüme an. Es sollte ja jeder wissen, wer sie sind – Weltraumpionier Juri Gargarin zum Beispiel. Der war nicht nur im Weltall. Wo man ihn noch so finden konnte, lesen sie hier: „Ein gutes Herz und starke Muckis“.

Um eine Heldin zu sein, braucht es aber weder Maske noch Berühmtheit. Maryluz Lopéz wurde in Kolumbien als Kindersoldatin missbraucht. Heute ist sie Mutter von zwei erwachsenen Kindern, arbeitet in der Kleiderkammer und hilft Obdachlosen. Auch Claudia Koepke muss geheime Superfähigkeiten besitzen. Wie sonst kann sie diesen Alltag meistern? Sie hat vier Kinder – eines davon schwerstbehindert. Luca ist mit einer Mosaiktrisomie auf die Welt gekommen und benötigt rund um die Uhr Pflege. Trotzdem geht Koepke nebenher putzen und spendet regelmäßig Blut: „Jemand muss das ja machen.“ Redakteurin Sabine Oberpriller hat die Familie besucht und findet: Stark wie Tiger!

Liam Neeson hat oft genug Anti-Helden verkörpert: Kantige, wortkarge Typen, die schnell die Fäuste sprechen lassen, wenn jemand in Not gerät, aber im Grunde ein gutes Herz haben. Wer sein persönlicher Held ist, sagt der Schauspieler in „Fragen an das Leben“.

Dabei ist „Held“ immer ein zwiespältiger Begriff. Wer für die einen heldenhaft handelt, ist für die anderen ein Verräter oder Terrorist. Georg Elser hat 1939 versucht, Adolf Hitler zu ermorden und wurde später von den Nazis hingerichtet. Jahrzehntelang blieb ihm die Anerkennung für seinen Mut verwehrt. Erst in den vergangenen Jahren hat sich das öffentliche Bild gewandelt.

All diese Geschichten zeigen: Wer ein Held sein will, muss nicht übermenschlich stark sein, sondern nur im richtigen Moment richtig handeln. Und sei es – frei nach Bowie – nur für einen Tag.

Herzliche Grüße aus der chrismon-Redaktion,

Ihr
Michael Güthlein