Karlsruhe (epd). Die gesetzliche Regelung, dass die gemeinsame Elternschaft von Stiefkindern allein bei verheirateten oder verpartnerten Paaren möglich ist, verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist verfassungswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss entschied. (AZ: 1 BvR 673/17) Bis zum 31. März 2020 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen.
Nach der geltenden Gesetzeslage können nur verheiratete oder verpartnerte Paare die gemeinsame Elternschaft für ein Stiefkind übernehmen. Bei unverheirateten Paaren ist die Adoption durch den nicht verheirateten Stiefelternteil nur möglich, wenn die leibliche Mutter oder der leibliche Vater auf die rechtliche Elternschaft verzichtet.
"Stabile Elternbeziehung"
Vor Gericht war ein nicht verheiratetes Paar aus dem Raum Ahaus in Westfalen gezogen. Die Frau war Mutter zweier minderjähriger Kinder, deren leiblicher Vater 2006 starb. Der neue Lebensgefährte der Mutter wollte Verantwortung für die Kinder übernehmen, heiraten wollte das Paar aber nicht. Denn bei einer Heirat hätte die Mutter ihren Anspruch auf Witwenrente verloren. Daher wollte der neue Partner die Kinder adoptieren, so dass sowohl die Mutter als auch er als rechtliche Eltern gelten.
Der Bundesgerichtshof lehnte die Adoption ab. Das Gesetz sehe eine gemeinschaftliche Annahme des Kindes nur in Ehen oder eingetragenen Partnerschaften vor. Der Gesetzgeber habe so eine "stabile Elternbeziehung" sicherstellen wollen.
Doch das führt zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Kindern in nichtehelichen Stiefkindfamilien, wie das Bundesverfassungsgericht nun befand. Zwar sei das Ziel des Gesetzgebers, dass ein Kind nicht unter ungünstigen familiären Bedingungen aufwachsen muss, legitim. Dieses Ziel könne mit dem Adoptionsausschluss aber nicht erreicht werden, "weil das Kind in aller Regel bereits mit dem Eltern- und dem Stiefelternteil in einer konkreten Familie lebt". Der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien sei "kein angemessenes Mittel".
Gesetzgeber muss Neuregelung schaffen
Die Ehe spreche zwar für die Stabilität einer Beziehung, doch es gebe auch stabile nichteheliche Stiefkindfamilien, die der Gesetzgeber nicht berücksichtigt habe. Ob eine nichteheliche Beziehung stabil und damit für das Stiefkind gut sei, könne per Prognose bestimmt werden. "Die nichteheliche Familie hat sich mehr und mehr als weitere Familienform neben den ehelichen Familien etabliert", stellte das Bundesverfassungsgericht fest. Es gebe keine Hinweise dafür, dass die nichteheliche Stiefkindfamilie typischerweise "besonders fragil und nur in einer kleinen Zahl von Fällen stabil wäre".
Bis zum 31. März 2020 muss der Gesetzgeber nun eine Neuregelung zur Stiefkindadoption schaffen. Bis dahin ist das geltende Recht nicht anwendbar, entsprechende Verfahren sind so lange auszusetzen.