Sie Hebamme Bettina Moritz hört im Geburtshaus in Würzburg den Bauch einer werdenden Mutter ab.
epd-bild / Daniel Peter
Für werdende und junge Eltern sind Hebammen eine wichtige Stütze. Nicht nur, weil sie sich um die Gesundheit von Mutter und Kind kümmern - auch emotional.
26.02.2018

Rund 70 Hebammen hatte Daniela Wolf im Jahr 2013 kontaktiert. Mal per Mail, mal am Telefon. Die Antwort war immer die gleiche: Bin schon ausgebucht, leider. Weil ihr errechneter Geburtstermin in der Sommerferienzeit lag, war die Situation doppelt angespannt. Und gab es dann doch mal eine Hebamme, die eventuell noch einen Platz frei hatte, sollte Daniela Wolf gleich noch ein paar Kurse buchen - denn die reine Geburtsvorsorge und Betreuung im Wochenbett wird von den Kassen schlecht bezahlt. "Ich war unendlich verzweifelt - und wütend", sagt die heute 34-Jährige aus Heilbronn.

Arbeitsbedingungen haben sich kontinuierlich verschlechtert

Vor rund zwei Monaten brachte sie dann ihren zweiten Sohn zur Welt: "Und es gab noch einmal deutlich weniger Hebammen als vor gut viereinhalb Jahren", sagt sie. Auch ihre Krankenkasse hatte sie kontaktiert und nach einer Liste mit derzeit aktiven Hebammen gefragt - Fehlanzeige. Die Geburt ihres zweiten Sohnes verlief unerwartet dramatisch. "Aber was sollen wir machen. Wir mussten und müssen da wieder alleine durch", sagt sie, und meint die Zeit vor und nach der Geburt. Es klingt zutiefst resigniert.

Für die Wochenbettbetreuung und Schwangerenvorsorge findet sich immer schwerer eine Hebamme, stellt der Deutsche Hebammenverband fest. Es scheint, als schlage der seit Jahren von den Hebammenverbänden angekündigte Mangel an Fachkräften jetzt bis zu den betroffenen Frauen durch. Die Arbeitsbedingungen für Hebammen haben sich kontinuierlich verschlechtert: Geringe Bezahlung, extrem hohe Versicherungsprämien für die Haftpflicht, Schichtarbeit in Kliniken oder unbezahlte 24-Stunden-Bereitschaften für Freiberuflerinnen.

Im Internet sammelt der Verband Meldungen aus dem ganzen Bundesgebiet, wo Frauen vergeblich nach einer Hebamme gesucht haben, mehr als 17.000 sind es bisher. Die Daten sind anonymisiert, auf einer Karte wird nach Postleitzahlen geordnet die Unterversorgung sichtbar. Mal gibt es keine Hebamme für eine Wochenbettbetreuung, mal für eine Beleggeburt, mal für die Vorsorge.

Traumatische Erfahrungen

Die meisten Frauen wollen nicht mit vollem Namen über ihre Erfahrungen reden. "Wer keine Hebamme findet und sich alleine durchwurstelt, hat oft traumatische Erfahrungen gemacht - vor, während oder nach der Geburt, weil eben die professionelle Betreuung fehlt", sagt die Münchner Hebamme Claudia Lowitz.

Daniela Wolf macht den Hebammen keinen Vorwurf - ihre Wut richtet sich gegen Krankenkassen, Versicherungen und Politik. "Wie kann es sein, das ein Beruf, den es seit Jahrhunderten gibt, jetzt ausstirbt", fragt sie. Haftpflichtprämien müssten erschwinglich, die Bezahlung der Hebammen angemessen sein.

Bei ihrer ersten Schwangerschaft hat sie "das Internet leer gelesen", wie sie sagt, und nach der Geburt "viel Zeit beim kinderärztlichen Notdienst verbracht". Als Eltern-Neulinge seien sie und ihr Partner unsicher gewesen: "Wir haben erst nach der Geburt so richtig gemerkt, wie wichtig eine Hebamme ist, die nach Hause kommt, die unterstützt, einem Ängste nimmt und Kraft gibt."

Stattdessen fühlte sich das Elternpaar alleingelassen. Ihr Sohn hatte nach der Geburt eine schwere Infektion, sie mussten auf die Mutter-Kind-Intensivstation. Drei Monate kämpfte das Kind mit schweren Koliken, Daniela Wolf bekam eine Wochenbettdepression. Ein guter Start ins Leben sieht anders aus.

Kürzerer Aufenthalt in Kliniken

Auch Astrid Giesen vom Bayerischen Hebammen Landesverband spricht von einer "Versorgungslücke". Dabei sei die Zahl der Hebammen in den vergangenen Jahren nicht gesunken. Aber zum einen wollten die Hebammen heute nicht mehr 365 Tage im Jahr rund um die Uhr für ihre Arbeit zur Verfügung stehen. Zum anderen gebe es mehr Neugeborene und die Wochenbettbetreuung dauere länger.

"Die Hebamme kommt öfter, weil sie auch einen Bildungsauftrag für die Eltern hat", sagt Giesen. Diese längeren Wochenbett-Besuche seien auch deshalb nötig, weil Frauen nach der Geburt immer kürzer in Kliniken bleiben dürften: "Früher waren es zehn Tage, heute 48 Stunden."

Für Hebammen ist die Situation frustrierend. "Ich liebe meinen Beruf, aber ich brauche auch Zeit für meine Kinder", sagt eine 28-Jährige aus Mittelfranken. Ihren Namen will sie nicht nennen, sie ist als Beleghebamme in einer kleineren Klinik tätig, freiberuflich macht sie Vorsorge und Wochenbettbetreuung.

Es riefen immer wieder Frauen bei ihr an, die seit Wochen eine Hebamme suchten. Erfolglos. "Aber ich kann nicht noch mehr arbeiten. Als ich letzthin einer Frau abgesagt habe, habe ich aufgelegt - und erst mal geweint."

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