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Erlöserkirche Bamberg, Sonntag, 10 Uhr: Über dem Portal leuchtet ein Herrnhuter Stern gegen einen trübkalten Wintermorgen. Am Eingang drückt mir eine junge Frau mit strahlenden Augen ein Gesangbuch in die Hand und wünscht einen gesegneten Gottesdienst.
Dann kommt der erste Moment des Staunens. Statt wie erwartet die Orgel von der Empore zu hören, erklingt die Eingangsmusik vor dem Altar. Dort stehen zwei Mädchen mit Querflöten und spielen ein Duett von Franz Anton Hoffmeister. Der Komponist war ein Zeitgenosse Mozarts, seine Flötenmusik klingt ähnlich fröhlich. Christina und Sophia spielen virtuos, ihre Töne zaubern Leichtigkeit ins Gemüt. Wirklich schade, dass niemand sich traut, die Gewohnheiten des evangelischen Gottesdiensts aufzubrechen. Keiner klatscht, ich auch nicht.
Zu Beginn der Liturgie sagt Pfarrer Thomas Braun: "Oft trauen wir Gottes Gegenwart nicht über den Weg – und vergessen zu staunen über diese Welt." In der Predigt erzählt er, wie es ihm, einem Flachlandbewohner aus Schleswig-Holstein, ergangen ist, als er zum ersten Mal die Berge der Alpen sah. Die Eigernordwand flößte ihm großen Respekt ein: "Ich wollte nur noch sitzen, gucken und staunen." Im Predigttext aus Matthäus 17 steigt Jesus mit drei Jüngern auf einen hohen Berg. Dort erscheinen ihnen die Glaubenshelden Mose und Elia, es wird strahlend hell, und Petrus will diesen ekstatischen Moment festhalten: "Herr, hier ist gut sein! Willst du, so wollen wir hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine." Pfarrer Braun sagt: "Petrus will das Himmlische festhalten. Aber das kommt und geht und schlägt keine Pflöcke ein."
Die Erlöserkirche wurde 1934 erbaut. Der Architekt orientierte sich an frühchristlichen Kirchen, der hohe Zentralraum ist schlicht mit Ziegeln gemauert. Dieser Bau steht nicht erhaben über den Problemen der Welt, das spüre ich in diesem Gottesdienst körperlich. Die Gemeinde spart Heizenergie – es ist kalt. Nach dem Zwischenspiel schlüpfen die beiden Flötistinnen schnell wieder in ihre dicken Jacken.
Aufgrund der Temperatur ist es gut, dass der Gottesdienst nur 45 Minuten dauert. Bei den Abkündigungen erfahren wir, dass Christina und Sophia ihre Hoffmeister-Sonate im Wettbewerb "Jugend musiziert" aufführen werden. "Alle Daumen der Erlösergemeinde sind mit euch", sagt Pfarrer Braun. Da, endlich, klatschen wir, wie befreit.