Kinderschuhe und Kapitalismus
Nagelneue Chucks - Wie lange sie wohl passen werden?
Tara Moore/Getty Images
Schulanfang und Schuhkauf
Schuhkauf hoch drei
Brauchen meine drei Kinder wirklich 84 neue Schuhe pro Jahr? Liegt das am Kapitalismus? Wie könnte ich das vermeiden?
Lena Uphoff
21.08.2025
3Min

Manchmal habe ich das Gefühl, dass Elternsein hauptsächlich aus Einkaufen besteht. Und dabei meine ich nicht Lebensmittel. Die muss man natürlich auch ständig in rauen Mengen einkaufen.

Ich meine jetzt eher Schuhe: Turnschuhe für den Hallensport, Stollenschuhe für den Rasensport, Turnschuhe für den Alltag, Wanderschuhe für die Ferien, Badeschuhe für den steinigen Strand, Badelatschen fürs Schwimmbad, Gummistiefel für den Herbst und das alles ungefähr zweimal im Jahr, weil die Kinderfüße ständig wachsen. Das ergibt in meinem Fall bei drei Kindern: zwei Mal jährlich 21 Paar Schuhe. Also 42 Paar Schuhe oder 84 einzelne Schuhe. Und das ist vermutlich nur die Minimalanzahl.

Das hört sich nicht nur viel an, es ist viel! Natürlich kann man auch mal Schuhe von den Älteren nach unten durchreichen, aber oft sind sie so durchgelaufen, dass es nichts bringt oder die Schuhe entsprechen nicht dem Geschmack des jüngeren Kindes. Es kann ja auch nicht angehen, dass immer nur der Älteste Schuhe nach seinem Geschmack bekommt. Das wäre ungerecht und sowas schätzen Kinder gar nicht – wie ich hier schon öfter geschrieben habe.

Eigentlich bin ich überzeugter Kapitalist – immerhin hat keine andere Gesellschaftsordnung dieser Welt so viel Wohlstand gebracht. Aber bei unserem Schuhdurchlauf komme ich doch ins Zweifeln. So viel Ressourcen und so viel Müll.

Wie haben die Menschen das nur früher gemacht, als es nicht an jeder Ecke eine Filiale von Deichmann oder einem anderen Schuhladen gab, in dem man schnelle und recht günstige Schuhe bekommt?

Eine Antwort: Die Kinder hatten einfach keine passenden Schuhe. Entweder haben sie zu große getragen oder waren – je nach materieller Familiensituation – gleich barfuss unterwegs. Kinder galten lange als kleine Erwachsene und wurden auch so behandelt. Kinderschuhe und Kinderkleidung gab es nicht.

Wer schon einmal eine Weile in unpassenden Schuhen herumgelaufen ist, weiß, dass das nicht nur aus ästhetischen Gründen doof ist. Dass es also früher nicht besser war, spricht jetzt doch wieder sehr für den Kapitalismus.

Denn dann kaufe ich lieber 84 Schuhe pro Jahr und produziere im Umkehrschluss auch 84 Müllschuhe im Jahr. Was bringt einem eine saubere, gerechtere Welt, wenn man mit wunden und im Winter erfrorenen Füßen darüber laufen muss.

Schulsachen sind teuer, Schuhe auch

Aber zurück zum Einkaufen für die Familie. Es sind ja nicht nur die Schuhe. Hier in Hessen hat die Schule wieder angefangen und alle Klassenlehrerinnen haben ein paar Tage vorher lange Listen mit dem benötigten Material herumgeschickt. Zum Glück hat meine Frau die Aufgabe übernommen, diese abzuarbeiten.

Bei mir hätte sich bei 20 Punkten mit genauen Anweisungen wie "Haarpinsel mit Spitze und Borstenpinsel flach" oder "Klebestift (40g)" und "Whiteboard-Marker, 4er-Pack" schnell der innere Oppositionsgeist geregt und die Kinder wären mit lauter falschen Sachen in die Schule gegangen und hätten sich anschließend zu Recht bei mir beschwert.

Schulsachen sind teuer. Gut 84 Schuhe im Jahr übrigens auch, nur weil ich das oben nicht extra erwähnt habe. Da es früher in vorkapitalistischen Zeiten nicht besser war, jetzt aber auch nicht so toll ist, bleibt nichts anderes übrig als mal wieder festzuhalten, dass diese Welt einfach nicht optimal ist.

Unser mittlerer Sohn sähe das übrigens anders. Er liebt Schuhe und findet eigentlich, dass man nicht genug haben kann. Am liebsten würde er alle Schuhe aufheben und schon in jungen Jahren zum Sneakersammler werden.

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Kolumne

Michael Güthlein
,
Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (2) und drei Kinder (11, 10, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Sie schreiben im Wechsel.