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2014 bin ich nach Deutschland gezogen. Alles geschah zufällig. Ich war für zwei Wochen im Urlaub, um meine Schwester zu besuchen, die in Wiesbaden lebte. Ich hatte einen tollen Job in Kiew und hatte nicht vor, umzuziehen. Der Wiesbaden-Frühling hat mir jedoch den Kopf verdreht. Ich habe beschlossen, ein wenig in Wiesbaden zu bleiben. Ursprünglich hatte ich geplant, sechs Monate bis ein Jahr in Wiesbaden zu verbringen, aber am Ende blieb ich viele Jahre.
Ich lernte nicht nur Deutsch
Schnell integrierte ich mich in den lokalen Lebensrhythmus. Ich war sofort von Einheimischen umgeben, die meisten von ihnen waren Deutsche. Auch wenn ich noch nicht so gut Deutsch konnte, versuchte ich zu verstehen: Ich lachte über deutsche Witze, las deutsche Zeitungen, hörte deutsches Radio und lernte so viel über die Probleme des Landes. Nicht alles habe ich verstanden. Einige Regeln und Traditionen kamen mir seltsam vor. Aber ich fühlte mich wohl in Deutschland. Ich war angekommen.
In den letzten anderthalb Jahren habe ich viel mit Flüchtlingen und Auswanderern kommuniziert – nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Ländern. Die meisten von ihnen gaben im Gespräch zu, dass ihnen das Leben generell in Deutschland schwerfällt und sie die Einheimischen nicht verstehen. Aus diesem Grund haben sie große Schwierigkeiten, eine Wohnung oder Arbeit zu finden. Aber viele von ihnen leben schon seit zwei oder drei Jahren hier. Und viele können gut Deutsch. Wieso fühlen sie sich trotzdem noch so fremd?
Kürzlich gab es auf einer öffentlichen Website für Flüchtlinge und Migranten eine Umfrage, bei der gefragt wurde, ob sie Freunde in der lokalen Bevölkerung gefunden hätten. Nur wenige antworteten mit „Ja“. Warum?
Roamingkosten sinken - und so sind alle immer online
Als ich über diese Frage nachdachte, fiel mir ein, dass mein Handy nicht mit dem Internet verbunden war, als ich vor zehn Jahren nach Deutschland zog. Ich hatte kein WhatsApp und nur Zugriff auf soziale Netzwerke von zu Hause über meinen Laptop. Zudem gab es in Deutschland zu dieser Zeit praktisch kein kostenloses WLAN in Cafés oder Restaurants.
Dann, im Jahr 2014, erschien gerade die ukrainische Version von Facebook, und Instagram begann an Popularität zu gewinnen. Es gab noch kein Telegram. Netflix auf Ukrainisch wurde erst 2021 eingeführt.
In diesen zehn Jahren hat sich weltweit und auch in Deutschland viel verändert. Heutzutage ist es fast unmöglich, sich einen Menschen ohne Internetzugang über sein Telefon vorzustellen. Schließlich ist alles da: Bankkarten, Adressen, Telefonnummern, Stadtplan, Fahrplan, sogar das Deutschlandticket!
Ein Großteil der Cafés und Restaurants in Deutschland verfügen mittlerweile über kostenloses WLAN. Darüber hinaus sind die Kosten für die Verbindung zum Internet gesunken. Und das gilt auch für das Roaming: Beispielsweise haben ukrainische Mobilfunkbetreiber die Roaming-Gebühren für ihre Kunden gekürzt, die jetzt im Ausland leben. Der Preis bleibt derselbe, als ob sie in ihrer Heimatstadt wohnen würden. Wozu hat das alles geführt?
Neuankömmlinge (Flüchtlinge und Migranten) haben jetzt die Möglichkeit, rund um die Uhr mit Verwandten zu kommunizieren und weiterhin ihre nationalen TV- und YouTube-Kanäle anzusehen. Das heißt, physisch sind sie in einem neuen Land, aber virtuell, mit Herz und Kopf, leben sie weiterhin in ihrer Heimatstadt.
Was können wir tun?
Ist das ein Problem für alle? Meiner Meinung nach ja. Denn am Ende fühlen sich weder die Neuankömmlinge noch Einheimische wohl. Und das hat zur Folge, dass sich der Konflikt zwischen beiden Seiten verschärft. Denn gegenseitiges Verständnis, angenehme Kommunikation basiert nicht nur auf einer gemeinsamen Sprache, sondern auch auf einer „gemeinsamen Welle“.
Es ist klar, dass wir den Zugang zum Internet nicht abschalten oder gar einschränken können - erst recht nicht in Kriegszeiten.
Ich weiß selbst keine gute Antwort, da ich keine Expertin bin. Aber ich bin mir sicher, dass wir uns bei der Integration auf diese Diskrepanz konzentrieren sollten und nicht darauf, wie man superschnell in drei Monaten Deutsch lernt.