Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in München 1972
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Zehn Fragen zu Olympia
Die Welt ist voller Krisen und Konflikte. Da täte es allen gut, miteinander friedlich zu spielen und zu feiern. Aber ist das möglich? Nun wird wieder über Olympische Spiele in Deutschland diskutiert. Obwohl dies nicht mein Fach ist, habe ich mir folgende Fragen ausgedacht, nach denen ich entscheiden würde
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
01.03.2024

1. Schaffen wir das?

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen in Deutschland vor immensen Herausforderungen. Können wir zusätzlich eine solche Extra-Anstrengung bewältigen?

2. Mit wem wollen wir Geschäfte machen?

Die Olympischen Spiele sind eine globale Größe. Wir Europäer beherrschen sie schon lange nicht mehr. Mit welchen der aktuellen Olympia-Mächte wollen wir uns einlassen?

3. Wer entscheidet, bezahlt und kassiert?

Die Olympischen Spiele sind ein großes Geschäft. Da gilt es, nüchtern zu klären, wie man sich die Rechnung und das Risiko teilt. Oder werden auch hier die Gewinne privatisiert und die Kosten sozialisiert?

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4. Was ist uns Leistung wert?

Sportliche Exzellenz fasziniert. Doch sollte uns auch interessieren, wie sie zustande kommt. Welcher Druck wird im Leistungssport auf Jugendliche, manchmal schon auf Kinder, ausgeübt?

5. Lässt sich Betrug vermeiden?

Seit Jahrzehnten gibt es zwei Medaillenspiegel: den einen direkt nach den Spielen und den anderen nach dem vorläufigen Abschluss der Dopingkontrollen. Aber kann man diesen vertrauen? 

6. Wie verhindert man Machtmissbrauch und Grenzverletzung?

Sport lebt von Nähe und Vertrauen. Deshalb kommt es auch hier zu Missbrauch. Bisher hat es keine systematische Aufarbeitung gegeben. Wäre das nicht vor den nächsten Spielen nötig?

7. Wem nutzen die Olympischen Spiele?

Häufig wird gesagt, die Spiele brächten gesellschaftlichen und politischen Nutzen: als Vorbild für die Jugend, als Anreiz zum Selbst-Sport-Treiben bis hin zu Völkerverständigung und Weltfrieden. Kann man das empirisch belegen?

8. Welche Folgen haben die Olympischen Spiele?

Wer heute für eine deutsche Bewerbung wirbt, weist auf die Nachhaltigkeit der eigenen Pläne hin. Aber ist dies ein realistisches Versprechen, oder wie will man die Fehler früherer Spiele vermeiden?

9. Wie will man friedliche Spiele garantieren?

Die Welt ist zerrissen in verschiedene Welten, die sich nicht verständigen können. Wie will man dafür sorgen, dass zum Beispiel ukrainische oder israelische Sportlerinnen und Sportler unbehelligt teilnehmen können? Oder müssen wir uns eingestehen, dass es die einen Spiele für die eine Welt zurzeit nicht geben kann?

10. Kann es in Deutschland Olympische Spiele ohne Antisemitismus geben?

Zwei Mal schon fanden Olympische Spiele in Deutschland statt: 1936 und 1972. Mit beiden verbinden wir einen massiven Antisemitismus. Wie könnte es bei einem dritten Mal besser werden, wenn wir nicht einmal eine Berlinale ohne Israelfeindlichkeit hinbekommen?

P.S.: Der Deutsche Kulturrat, Dachverband aller deutschen Kulturverbände, betreibt eine sehr gute Zeitung. In der aktuellen Ausgabe von „Politik und Kultur", die man kostenfrei herunterladen kann, gibt es einen Schwerpunkt zum Thema „Sexualisierte Gewalt“ – aus unterschiedlichen Perspektiven, Kunstgattungen, Organisationen. Solch eine Zusammenschau ist ungewöhnlich. Ich durfte dort einen Beitrag aus evangelischer Sicht schreiben.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur