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In derselben Nacht stand er auf, nahm seine beiden Frauen, seine beiden Mägde sowie seine elf Kinder und durchschritt die Furt des Jabbok. Er nahm sie und ließ sie den Fluss überqueren. Dann schaffte er alles hinüber, was ihm sonst noch gehörte. Als er allein zurückgeblieben war, rang mit ihm ein Mann, bis die Morgenröte aufstieg. Als der Mann sah, dass er ihn nicht besiegen konnte, berührte er sein Hüftgelenk. Jakobs Hüftgelenk renkte sich aus, als er mit ihm rang. Er sagte: Lass mich los; denn die Morgenröte ist aufgestiegen. Er entgegnete: Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest. Er fragte ihn: Wie ist dein Name? Jakob, antwortete er. Er sagte: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel - Gottesstreiter -; denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und gesiegt. Nun fragte Jakob: Nenne mir doch deinen Namen! Er entgegnete: Was fragst du mich nach meinem Namen? Dann segnete er ihn dort. Jakob gab dem Ort den Namen Penuël - Gottes Angesicht - und sagte: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin doch mit dem Leben davongekommen. Die Sonne schien bereits auf ihn, als er durch Penuël zog; er hinkte an seiner Hüfte. Darum essen die Israeliten den Muskelstrang über dem Hüftgelenk nicht bis auf den heutigen Tag; denn er hat Jakobs Hüftgelenk, den Hüftmuskel berührt.
Ich musste lange überlegen, welche Stelle ich hier wählen würde. Einfach deshalb, weil eine Stelle mir auf den Leib geschrieben ist, wie man so schön sagt, und zwar wortwörtlich: Ich habe mir die Schlüsselwörter aus 1. Korinther 13,13 tätowieren lassen, "Glaube", "Hoffnung" und "Liebe" aus der berühmten Passage: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen." Diese drei Begriffe begleiten mich mein Leben lang und sind für mich nicht nur Schlüssel-, sondern auch Ankerbegriffe, die mir Halt geben.
Trotzdem wähle ich hier eine andere Stelle, und zwar "Jakobs Kampf am Jabbok". Die offensichtliche Parallele: Ich habe mein erstes Leben, das vor meinem Rücktritt, komplett dem Ringkampf gewidmet. Ich bin Rekordweltmeister und habe in meinem letzten olympischen Auftritt noch die erste Medaille errungen. Dabei habe ich diese und andere zahlreiche weitere Höhepunkte erlebt. Und gleichzeitig war meine Karriere von unglaublich harten und schweren Rückschlägen geprägt, von Verletzungen, Niederlagen und Enttäuschungen.
Frank Stäbler
In Genesis 32,23–33 lesen wir, dass einer mit "ihm" (vermutlich Jakob mit Gott, es gibt verschiedene Auslegungen) rang, und zwar bis zur Morgenröte. "Er" wird aber nicht besiegt, nicht einmal dann, als er ihm die Hüftpfanne ausrenkt. Jakob lässt einfach nicht los, hält immer weiter fest und fordert, dass er gesegnet wird. In der Bibel heißt es dann weiter, dass der Unbekannte ihn segnet und ihm einen Namen gibt: "Israel".
Israel ringt und kämpft, ich muss daran immer wieder denken, gerade jetzt, angesichts der schrecklichen Bilder nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas. Dieser Gedanke ist mir wichtig, angesichts des unvorstellbaren Leides der Opfer. Man kann das nicht ausblenden. Wenn ich für diesen Beitrag trotzdem versuche, nicht nur an die aktuelle Situation zu denken, dann steht die Passage vom Ringkampf mit Gott für so ziemlich alles, was Leben ausmacht. Das Leben im Alltag, aber auch das geistliche und spirituelle Leben. Ringen bedeutet, nach einem Griff suchen, durchhalten, leiden, einfach nicht nachgeben. Wir müssen festhalten. Festhalten an unserem Traum, der hier fast wie ein Alptraum anmutet. Wir sagen ja auch: "sein Leben in den Griff kriegen". Meistens schwingt da etwas Negatives mit. Doch ich sehe das anders: Wenn ich mein Leben in den Griff kriege, bin ich der Meister meines Schicksals.
Zugleich zeigt die Passage, dass es mehr gibt. Dass da jemand – oder etwas – ist. So eine Erfahrung, mit den Schmerzen, die durch die ausgerenkte Hüftpfanne symbolisiert werden (und ich kenne mich mit Verletzungen aus . . .), macht dankbar und demütig. Dankbar, dass wir ausgehalten und festgehalten haben. Auch dieses vermeintliche "Unentschieden" nach Ringerregeln ist ein Sieg. Und demütig, weil wir wissen, wie schwer dieser spirituelle Ringkampf des Lebens sein kann, welche Hindernisse wir dabei überstehen müssen. Es kommt deshalb darauf an, ob du diesen demütigen Glauben und diese Liebe zu IHM hast.
Ich war in meiner Karriere in so vielen Ländern, in denen ich demütig geworden bin, weil ich gesehen habe, was die Menschen dort erleben. Als Leistungssportler haben wir immer von Druck gesprochen; angesichts der Frage, wie ich jeden Tag meine Kinder ernähren soll, wo ich schlafen soll, wie es weitergeht, kann ich nur sagen: Das ist Druck.
Unser Druck als Leistungssportler ist nichts dagegen. Insofern ist die Passage vom Kampf am Jabbok für mich dreierlei: Ein Plädoyer, festzuhalten und nicht nachzulassen, wenn es sich lohnt, für etwas zu ringen. Die Erinnerung an die Dankbarkeit dafür, wie gesegnet ich bin und meine Familie und meine Freunde. Und darin steckt die Demut und die Bewunderung für alle, die tagtäglich ringen müssen, auf eine ganz andere, existenzielle Weise, als ich das muss – und die trotzdem durchhalten, oft mit Blick und im Vertrauen auf jenen Unbekannten.
Jakobs Kampf am Jabbok
In derselben Nacht stand er auf, nahm seine beiden Frauen, seine beiden Mägde sowie seine elf Kinder und durchschritt die Furt des Jabbok. Er nahm sie und ließ sie den Fluss überqueren. Dann schaffte er alles hinüber, was ihm sonst noch gehörte. Als er allein zurückgeblieben war, rang mit ihm ein Mann, bis die Morgenröte aufstieg. Als der Mann sah, dass er ihn nicht besiegen konnte, berührte er sein Hüftgelenk. Jakobs Hüftgelenk renkte sich aus, als er mit ihm rang. Er sagte: Lass mich los; denn die Morgenröte ist aufgestiegen. Er entgegnete: Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest. Er fragte ihn: Wie ist dein Name? Jakob, antwortete er. Er sagte: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel - Gottesstreiter -; denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und gesiegt. Nun fragte Jakob: Nenne mir doch deinen Namen! Er entgegnete: Was fragst du mich nach meinem Namen? Dann segnete er ihn dort. Jakob gab dem Ort den Namen Penuël - Gottes Angesicht - und sagte: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin doch mit dem Leben davongekommen. Die Sonne schien bereits auf ihn, als er durch Penuël zog; er hinkte an seiner Hüfte. Darum essen die Israeliten den Muskelstrang über dem Hüftgelenk nicht bis auf den heutigen Tag; denn er hat Jakobs Hüftgelenk, den Hüftmuskel berührt.
Schicksal im Griff!?
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Die Jakobs-Geschichte hat für den Ringer Frank Stäbler offensichtlich eine andere Bedeutung als für mich - ich frage mich: Welches Verständnis von "Segen" hat der betrügerische Jakob? Er hatte sich ja schon vorher, angestiftet von seiner Mutter, den väterlichen Segen erschlichen? Die Gründerväter Israels haben sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, auch Abraham nicht! Gott sei Dank erzählt uns die Bibel auch von den dunklen Seiten dieser "Helden" - muss und soll ich mir den Segen heldenhaft erkämpfen?