entsorgter Weihnachtsbaum
privat
Warum ein Weihnachtsbaum in einer Kita im Advent nichts zu suchen hat
Alle Jahre wieder: Streit!
Auch das gehört zur deutschen Ritualkultur: In jeder Adventszeit gibt es einen heftigen Konflikt darüber, wie man Weihnachten feiern soll. Dieses Mal hat es eine Kita in Hamburg getroffen. Und wieder zeigt sich, dass über das Falsche gestritten wird. Versuch einer Einordnung.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
10.12.2023

Weihnachten ist ein Ritual. Und zu Ritualen gehört es, dass sie immer auch Streitigkeiten auslösen. Das kann seinen guten Sinn haben. Alle haben das schon einmal in der eigenen Familie erlebt: Man ist wieder auf einem Haufen, aufgeregt und erschöpft, kann sich nicht aus dem Weg gehen, muss gemeinsam etwas gestalten – da knallt es eben mal. Wenn man sich grundsätzlich lieb hat, ist das nicht weiter schlimm, denn auf diese Weise ist man sich erneut nahe gekommen.

Anders ist es mit den medial und digital jedes Jahr von neuem abgefeierten Kulturkämpfen um Weihnachten. Sie bewirken gar nichts Gutes. Sie sind nicht einmal interessant. Da sie aber leider symptomatisch sind, erlaube ich mir folgenden Klärungsversuch.

Inzwischen haben wohl alle mitbekommen, dass es in Hamburg-Lokstedt eine Kita gibt. Dort sollte kein Weihnachtsbaum aufgestellt werden, da die Leitung und die Mitarbeitenden „kein Kind und seinen Glauben ausschließen wollen“. Das geht mich zwar nichts an. Aber ich finde schon, dass sich hier ein Mangel an Kulturkompetenz und Religionssensibilität zeigt. Denn zum einen ist Weihnachten nicht nur ein christliches Fest, sondern weit darüber hinaus ein Kulturgut. Das sollten Kinder kennenlernen – am besten, indem sie mitfeiern. Dies kann zum anderen durchaus so geschehen, dass dabei Grundthemen des Christentums zur Sprache kommen. Wir in der evangelischen Kirche haben Erfahrungen darin, wie man das auf eine nicht-autoritäre, nicht-vereinnahmende Weise gestalten kann. Gern geben wir anderen daran Anteil. Einfach mal anrufen.

Ein christliches Fest und unchristliche Polemik 

In keinem Verhältnis aber zu dieser nicht so perfekt verkündeten Entscheidung steht die Aufregung, die sich darüber in manchen Medien und sozialen Netzwerken austobt. Hier tun mir die Mitarbeitenden der Kita einfach nur leid. Solche Formen kommunikativer Gewalt sind schlicht abzulehnen.

Tritt man jedoch einen Schritt zurück, stellt sich ein Effekt ein, der fast komisch ist. Denn Form und Inhalt passen bei denen, die das christliche Weihnachtsabendland zu verteidigen behaupten, gar nicht zusammen. Zum einen sollte man für ein christliche Fest nicht mit unchristlicher Polemik streiten, sondern Verständigung suchen und besonnen bleiben. Zum anderen, und das finde ich schon lustig, zeigen die empörten Weihnachtspartisanen, dass sie keine Ahnung von der Tradition haben, die sie zu verteidigen vorgeben.

Der Weihnachtsbaum gehört in die Weihnachtszeit 

Deshalb hier zur Klarstellung: Ein Weihnachtsbaum hat in einer Kita nichts zu suchen. Denn er gehört in die Weihnachtszeit. Er wird am 24. Dezember aufgestellt und am 6. Januar wieder hinausgebracht. In dieser Zeit sind die allermeisten Kitas unseres herrlichen Vaterlandes geschlossen. 

Die lieben Kleinen würden den Baum also gar nicht sehen. Was ich allerdings für die Zeit davor empfehle, ist die Aufstellung eines Adventskranzes. Er inszeniert auf das Allerschönste den Weg zum Heiligen Abend. Die Tatsache, dass der Weihnachtsbaum inzwischen die adventliche Vorweihnachtszeit kolonisiert hat und inflationär überall herumsteht, ist das betrübliche Anzeichen eines tatsächlichen Kulturverlusts. Indem die werten Freunde des christlichen Abendlandes also für mehr Weihnachtsbäume in der Adventszeit streiten, befördern sie diesen Niedergang.

Eine Wut, die fast wie Langeweile wirkt

Ein tiefes, in sich gefestigtes Glaubens- und Traditionsbewusstsein kann ich bei diesen Kulturkämpfern also nicht ausmachen. Stattdessen beobachte ich eine Stimmungsmelange, die der niederländische Autor Arno Grünberg vor kurzen so beschrieben hat: Es gäbe gegenwärtig „eine Wut, die manchmal kaum von Langeweile zu unterscheiden ist“. Denn wie ist es zu erklären, dass sich erwachsene Menschen, sogar süddeutsche Ministerpräsidenten, öffentlich über eine Kita in Hamburg-Lokstedt erregen? Kann es daran liegen, dass sie zu viel Zeit haben und zu wenig Lebenssinn?

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Tatsächlich ist Weihnachten inzwischen derart säkularisiert und seines christlichen Inhalts entleert, dass Atheisten und Muslime heute problemlos "Weihnachten" feiern könnten, ohne mit ihrer Weltanschauung oder Religion in Konflikt zu geraten.

Mir tut es weh, wie die säkulare Gesellschaft eines unserer wichtigsten Feste okkupiert und umgedeutet hat, besonders, wenn die Werbung die Reste der noch bekannten Versatzstücke gezielt missbraucht ("Auf den Wein achten" und dergleichen).

Ich träume davon, ein christliches Markenrecht geltend machen zu können, um das zu verhindern. Die Verletzung der religiösen Gefühle der gläubigen Christen durch dieses Ausschlachten wird nicht nur in Kauf genommen, sondern wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen...

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Wie ist es möglich, das nach Weihnachten die meisten Ehescheidungen eingeläutet werden?
Wie ist es möglich, das zu Weihnachten die meisten Tränen fließen?
Wie ist es möglich, das wieder kein Jesus zu seinem Geburtstag erscheint?
Und wie es es möglich, das immer weniger Menschen an das
Weihnachtsmärchen glauben, obwohl doch die volle Unterstützung finanziell und staatlich geschützt erhält?
Und wie ist es möglich, das Gläubige und Ungläubige genauso verwesen und eine Wiederauferstehung noch kein einziger Mensch genossen hat?

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Ich glaube, der Sinn des Lebens besteht darin, das Leben zu genießen und nicht jeden Unsinn zu glauben.
Glauben Sie alle, das Jesus zu seinem Geburtstag erscheint?
Niemals, einmal schlechte Erfahrungen mit dem Glauben gemacht und noch mal ans Kreuz genagelt werden, nein Danke!

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Man kann alles zerdenken, zerreden, zerreißen. Und zum Schluss darf dann ja auch H. Söder als nicht preußischer Weihnachtsmann nicht fehlen. Da hilft nur Magnesium gegen Verkrampfungen. Typisch dieser liberalsoziale norddeutsche Protestantismus mit seinem verzweifelten Kampf gegen nahezu jede Art von Lebensfreude. Es geht die Mär, dass bei denen jede Nacht bei "intensiver Schaukelei" das Licht ausgeschaltet wird. KRAMPF.

Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur