Im Mittelpunkt der stationären Hospizversorgung stehen die schwerstkranken Patienten mit ihren Wünschen und Bedürfnissen Foto: Werner Krüger / epd-bild
Klug ist, wer sein eigenes Lebensende im Blick hat. Und wer Menschen vertraut, die für ihn sorgen werden
Evelyn Dragan
22.06.2015

Wie wollen Sie sterben? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht?

Die meisten Menschen verdrängen das Thema, solange es nur irgend möglich ist. Dabei wissen wir alle: Sterben werde auch ich. In Psalm 90 heißt es: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." Die Konfrontation mit dem eigenen Tod führt also zu Lebensklugheit, ja wohl auch zu einer tieferen Wahrnehmung des Lebens.

Zum einen verstehe ich, dass Menschen Angst haben vor einem fremdbestimmten Tod. Ausgeliefert an Schläuche dahinzusiechen, nicht sterben zu dürfen, wenn ich sterben will - das ist eine Aussicht auf das Sterben, die mir die Würde raubt. Gerade die jüngsten Berichte über Missstände in Pflegeheimen verstärken diese Angst.

Aktive Sterbehilfe kann nicht die Antwort sein

Zum anderen denke ich: Die Antwort darauf kann doch nicht sein, dass wir nun der Tötung auf Verlangen beziehungsweise der aktiven Sterbehilfe zustimmen oder Beihilfe zum Suizid salonfähig machen. Was wäre das für eine Gesellschaft, die Menschen den Tod nahelegt, die es für legal erklärt, Hand an das Leben anderer zu legen? Mir graut davor.

Es ist eine gewichtige Herausforderung für Gegenwart und Zukunft, die Würde eines Menschen in jeder Lebensphase zu bewahren. Missstände in Heimen, in denen alte Menschen nicht genügend ernährt werden, an Flüssigkeitsmangel und Wundliegen leiden, müssen behoben werden durch Kontrollen und Sanktionen. Es ist unfassbar, dass in unserem Land Menschen scheinbar völlig rechtlos solchen Zuständen ausgeliefert sind. Zu sehen ist aber auch die Anspannung der Pflegekräfte, die unter enormem zeitlichem Druck stehen und selbst darunter leiden, dass ihnen für Zuhören oder das Halten einer Hand kein Freiraum bleibt.

Wir werden als Gesellschaft insgesamt überlegen müssen, wie diese Herausforderungen zu meistern sind. Krankenkassen und Pflegekasse haben für eine angemessene Versorgung einzustehen. Aber wir sind auch alle miteinander gefordert. Wir brauchen mehr Achtsamkeit in der Gesellschaft aufeinander. Wenn der deutsche Durchschnittsbürger 220 Minuten Fernsehen am Tag schaut, dann wird er doch auch 20 Minuten Zeit haben, die alte Nachbarin zu besuchen oder für den Herrn nebenan eine Besorgung zu machen. Nächstenliebe kann sehr konkret und einfach sein.

Es geht darum in Frieden gehen und loslassen zu können

Besonders wichtig ist mir, dass die vielen gewichtigen ethischen Entscheidungen bewusst getroffen werden. Ich denke an die Reichweite von Patientenverfügungen, an Sterben-Lassen, an die Frage: noch eine Chemo oder nicht. Es geht nicht darum, alles bis zum Letzten auszuschöpfen, sondern darum, in Frieden gehen und loslassen zu können. Dafür ist es wichtig, vorab zu überlegen, wie ich sterben will, und eine Person, der ich vertraue, zu bevollmächtigen, damit sie für mich sprechen kann, wenn ich nicht mehr dazu in der Lage bin. Es muss sorgsam abgewogen werden, was nötig und was möglich ist. Ja, den Tod mit einzubeziehen, auch das würdige Lebensende im Blick zu haben, ist ein Zeichen von Lebensklugheit. Für uns als Christinnen und Christen ist das Sterben keine Sackgasse, sondern ein Übergang. Das verändert den Blick.

Ich bin überzeugt, wenn Menschen wissen, sie sind nicht ausgeliefert, sondern können darauf vertrauen, dass alles an ärztlicher Kunst und pflegerischer Leistung für ihre Heilung getan wird, sie aber auch in Würde sterben dürfen, dann wird auch die Frage der aktiven Sterbehilfe zurückgewiesen. Und dann wird auch das geschäftsmäßige Anbieten von angeblich einfachen Lösungen wie Gift-Nehmen in Zürich keine Resonanz finden. 

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