- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Es war 1978, da hörte ich den Song zum ersten Mal. Ich war 15 und ein unsicherer, etwas einsamer Junge voller Selbstzweifel. Aber wenn ich die Reggae-Rhythmen hörte und Bob Marley dazu sang: "Get up, stand up, stand up for your rights. Get up, stand up, don’t give up the fight!", dann musste ich tanzen. Mit Kopfhörern hörte ich den Song in großer Lautstärke, blendete die Welt um mich herum aus und wurde Teil von etwas Größerem. In meinem Kopf vermischten sich Bilder von Gandhi, Martin Luther King und Anti-AKW-Demos. Und solange der Song lief, war ich überall dabei, wo Menschen gewaltfrei um ihre Rechte kämpften.
Dieses eingebettete Video wird von YouTube bereitgestellt.
Beim Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern von YouTube hergestellt.
Dabei wird YouTube mitgeteilt, welche Seiten Sie besuchen. Wenn Sie in Ihrem YouTube-Account eingeloggt sind, kann YouTube Ihr Surfverhalten Ihnen persönlich zuordnen. Dies verhindern Sie, indem Sie sich vorher aus Ihrem YouTube-Account ausloggen.
Wird ein YouTube-Video gestartet, setzt der Anbieter Cookies ein, die Hinweise über das Nutzer:innenverhalten sammeln.
Weitere Informationen zum Datenschutz bei YouTube finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters unter: https://policies.google.com/privacy
Marley hatte das Lied "Get up, stand up" 1973 veröffentlicht, auf Deutsch: "Erhebt euch, widersetzt euch." Er hatte darin seine Eindrücke einer Haiti-Reise zur Zeit der Duvalier-Diktatur verarbeitet. Laut dem Musikmagazin "Rolling Stone" war "Get up, stand up" eines der wichtigsten Lieder des 20. Jahrhunderts. Es war das letzte, das Bob Marley vor seinem Tod 1980 öffentlich sang.
Mit meinem Alltag hatte das alles recht wenig zu tun, dazu war ich viel zu brav und angepasst. Aber Bob Marley weckte in mir jedes Mal die Ahnung einer verborgenen Kraft und Würde, die nach außen drängte. Ich war Theologiestudent und Anfang 20, als es sich nicht mehr verheimlichen ließ: Ich bin schwul. Das Coming-out Anfang der 80er Jahre forderte alle meine Energie. Ich brauchte Haltung, Würde und spirituelle Kraft, um das emotionale und soziale Chaos zu bewältigen. Viele Fragen waren zu beantworten und Anfeindungen zu parieren.
Dirk Ahrens
Die Karwoche in meinem theologischen Seminar war eine Zeit der Besinnung und des Gebetes. Wir haben geschwiegen und gefastet. Höhepunkt war die Osternacht. Wir trugen Blumen und Lichter in unsere Kapelle, sangen Psalmen und hörten biblische Lesungen, und endlich klang der Osterruf: "Er ist auferstanden! Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!" (Lukas 24,6 und 34). Und während wir aus dem Gesangbuch "Christ ist erstanden von der Marter alle" sangen, setzte in meinem Kopf plötzlich der Rhythmus ein: "Get up, stand up, stand up for your rights. Get up, stand up, don’t give up the fight!" Alles in mir wollte tanzen und singen.
Gott hält aus und leidet mit
Sofort nach dem Segen rannte ich zurück auf mein Zimmer, legte die LP von Bob Marley auf, hörte immer wieder "Get up, stand up!" und tanzte dazu. Karfreitag war für mich immer von zentraler Bedeutung gewesen. Gottes Solidarität mit den Leidenden führt Gott in die absolute Hilflosigkeit und in den elenden Tod eines verachteten Verbrechers. Gott hält aus und leidet mit und trägt mit uns Hilflosigkeit und Sinnleere. Nun erfuhr ich etwas Neues: Gott zieht uns in seiner Auferstehung hinauf ins Leben. Ostern erinnert jedes Jahr an Gottes Aufstand für das Leben. Das kann sehr dynamisch sein – insbesondere wenn man dazu die Reggae-Rhythmen von "Get up, stand up" im Kopf hat. Auch wenn ich zugeben muss, dass nicht jedes Osterfest diese Dynamik von damals vermittelt.
Wie Gott den Tod überwindet, das können wir vor allem in der Überwindung unserer vielen kleinen Tode erleben. Selten sind Menschen schöner als dann, wenn sie sich aufrichten und ihrer Herausforderung mutig ins Auge blicken, im gewaltlosen Widerstand gegen ein Unrechtsregime, und ebenso, wenn sie gegen lebensfeindliche Bedingungen im privaten Umfeld aufstehen.
Deshalb liebe ich meinen Dienst für die Diakonie: Menschen in ihrer Not zu begleiten und sie aufzurichten zu einem möglichst selbstbestimmten Leben als fröhliche Kinder Gottes. Jemandem zu helfen, sich von der Last seiner Schulden zu befreien, kann ebenso österlich wirken wie eine gute Reha, die aus starker körperlicher Einschränkung zu größtmöglicher Beweglichkeit führt. In solchen Glücksmomenten höre ich den Osterruf: "Er ist auferstanden! Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!" Und dann geht der Rhythmus in meinem Kopf los: "Get up, stand up, stand up for your rights. Get up, stand up, don’t give up the fight!" Ostern macht glücklich.
"Er ist auferstanden! Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!"