Foto: Sophie Stieger
Der Geist Christi ist ein Geist der Beheimatung, aber auch ein Geist der Vertreibung aus alten Gewissheiten
Fulbert Steffensky, Theologe am Vierwaldstättersee in Luzern fotografiert.Sophie Stieger
20.10.2010
Pfingstmontag
Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Johannes 4,24

Don Quijote, der ritterliche Held im Roman von Miguel de Cervantes, hat einen Knappen, Sancho Pansa, und man kann seinen Namen als "heiliger Bauch" übersetzen. Sancho Pansa sieht alles richtig und versteht alles falsch. Don Quijote kämpft gegen ein feindliches Heer, und Sancho sieht, dass es nur eine Hammelherde ist. Der Ritter kämpft gegen feindliche Riesen, Sancho sieht, dass er gegen Windmühlen kämpft und unterliegt. Wer sieht richtig und versteht falsch? Wer versteht richtig und sieht falsch?

Bei der Begegnung mit der Samariterin am Brunnen scheint Jesus von vielen Sancho Pansas umgeben. Die Frau versteht nicht. Sie sieht nur das Wasser, das den leiblichen Durst löscht. Jesus spricht von einem Wasser, das keinen mehr dürsten lässt. Sie sieht Berge und Hügel, auf denen man anbetet. Christus erkennt keinen Berg der Anbetung an. Der Geist ist die einzige Stätte der Anbetung. Die Jünger vermuten ihn satt, weil ihm jemand zu essen gegeben hat. Christi Speise ist es, den Willen Gottes zu tun. Die Frau sieht und glaubt die Einteilungen der Welt ­ dass Juden nur von Juden trinken dürfen und Samariter nur von Samaritern. Christus hat sie längst überwunden, obwohl sie doch bestehen, und der Jude verlangt von der Samariterin Wasser.

Die Religionen sind Sancho Pansas, auch die christliche. Sie setzen auf die Einteilungen der Welt: Katholiken trinken nur bei Katholiken, Protestanten nur bei Protestanten. Sie erklären, was die richtigen Berge, Zeiten, Orte, Formen, Institutionen und Strukturen der Anbetung sind. Gelegentlich machen sie auch ihrem Namen "heiliger Bauch" Ehre und sorgen sich mehr um die Selbsterhaltung und die leibliche Speise als um jene Speise, die der Wille Gottes ist. Sie haben oft unrecht, aber nicht immer, wie auch Sancho Pansa richtig gesehen hat. Es gibt keinen Glauben, der ohne "heilige Berge" auskäme; ohne wichtige Orte, Formen, Rhythmen, Figuren und all das, was Religionen, das Christentum eingeschlossen, so lieb ist. Alle Sanchos lieben das Greifbare, Fassbare. Sie setzen ihre Hoffnung darauf, und sie arbeiten mit einer Verbissenheit an ihm, als hinge das Heil davon ab. Sie verlieren jeden Humor, wenn man Hand daran legt.

Der Geist legt Hand an das Greifbare. Er ruiniert so viel von dem, was den Religionen wichtig ist. Zeiten des Geistes sind auch immer Zeiten, in denen zu Ruinen wird, was so kunstvoll gebaut war und worauf sich die Menschen verlassen haben. Die Propheten aller Religionen ruinieren die falschen Gottesdienste, die falschen Lebensanschauungen, die verlogenen Welten, die Stützen der betrügerischen Hoffnungen. Der Geist jenes Gottes, den Christus versprochen hat, ist ein Sturm, nicht ein sanft fächelndes Lüftchen, vor dem niemand erschrickt. Der Geist Christi ist ein Geist der Gewissheit und der Unterbrechung; ein Geist der Beheimatung und ein Geist der Vertreibung aus den alten Einrichtungen. Alle Sanchos raten: Lass die Finger von den Windmühlen! Lass sie klappern! Es ist wahr, dass die vom Geist Getriebenen sich blutige Nasen holen und Knochenbrüche beim Kampf gegen die Windmühlen. Aber sie wissen, was Pfingsten ist. Sie wissen, worauf sie sich verlassen dürfen und worauf nicht. Sie erschöpfen sich nicht im bescheidenen Realismus, sie sind zu Hause in der Freiheit, die er versprochen hat. Es kann sein, dass Sancho Pansa die besseren Argumente hat. Aber jener Don Quijote hat die größeren Träume.