Ein Toter erwacht zum Leben. So etwas passiert im Fernsehen in einer von unzähligen Arztserien: Da wird ein junger Mann im letzten Moment aus der Kühlkammer des Leichenschauhauses befreit und in die Klinik eingeliefert. Ein unfähiger Mediziner hatte irrtümlicherweise den Totenschein ausgestellt. Im Krankenhaus gilt es nun, die angebliche Witwe schonend auf die Auferstehung vorzubereiten. Eigentlich kein Problem. Die junge Frau in Schwarz müsste jubeln bei der guten Nachricht. Tut sie aber nicht. Stattdessen bricht sie zusammen. So einen abrupten Gefühlswechsel verkraftet keine Menschenseele. Wer im Schatten des Todes lebt, verträgt nicht sofort das gleißende Licht der Auferstehung.
Auch die drei Frauen, die sich am Ostermorgen aufmachen, um den Leichnam Jesu zu salben, vertragen diese Achterbahn der Gefühle nicht. Erst drei Tage ist es her, da wurden sie Zeuginnen einer Hinrichtung. Ihr geliebter Rabbi starb vor ihren Augen. Die gute Nachricht trifft die drei Frauen am Grab wie eine weitere Keule: Sie fallen der Lichtgestalt nicht um den Hals und machen auch nicht auf dem Absatz kehrt, um die Botschaft von der Auferstehung in alle Welt zu tragen das Gegenteil passiert: Sie sagen niemandem etwas. Warum?
Typisch menschlich, sagt die Theologie. So, wie Petrus seine Angst nicht überwinden konnte und Jesus im erstbesten Augenblick verriet, ist auch die Zuversicht der Frauen nicht stark genug, um den Tod zu überdauern. Sie glauben der Osterbotschaft kein Wort.
Typisch menschlich, sagt die Psychologie und zergliedert das Verhalten der Frauen in verschiedene Trauerphasen: Auf die Schockphase unter dem Kreuz folgt die kontrollierte Phase die Frauen kümmern sich um die Beerdigungsformalitäten, salben den Toten. Dann ziehen sie sich zurück. Regressive Phase. Im Fernsehen erlebt der Zuschauer Gefühle aus sicherer Distanz die drei Frauen am Grab sind ihnen ausgeliefert. Ostern geht es tatsächlich um Liebe und Leiden, Tod und Trauer, Angst und Entsetzen und zu guter Letzt um unbändige Lebensfreude.
Zu viel auf einmal? Der Glaube jedenfalls ist keine Beruhigungsspritze. Christus ist nicht der Garant für ein Leben, das in wohl geordneten, zuweilen langweiligen Bahnen verläuft. Der Auferstandene weckt Gefühle, welche uns überfordern. Aber er macht auch Mut, sie zu durchleben, weil er sie durchlebt hat. Er befreit seine Vertrauten aus ihrem Schock nicht durch ärztliche Kunst, sondern durch Beharrlichkeit. Immer wieder wird er seinen Jüngerinnen und Jüngern als Auferstandener erscheinen, bis sie begriffen haben, was Auferstehung heißt: das Leben nicht wie ein Zuschauer, sondern in seiner ganzen Intensität zu erfahren. Mut zum Leben zu haben, weil Christus beharrlich bei uns ist alle Tage bis an das Ende der Welt. Das begreift kein Mensch in einem einzigen Augenblick, sondern bestenfalls im Laufe seines Lebens.