Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass es Insekten und Vögeln schlecht geht wegen unserer monotonen Felder und asphaltierten Siedlungen. Weniger bekannt ist, dass man auch mit einem begrünten Balkon oder Hinterhof was für die Tierwelt tun kann.
Der Einwand "Aber ich hab keinen grünen Daumen" zähle nicht, findet die Berlinerin Birgit Schattling. "Selbst wenn Sie bisher mit Zimmerpflanzen keinen Erfolg hatten, werden Sie auf dem Balkon nicht scheitern", schreibt sie in ihrem Anleitungsbuch "Mein Biotop auf dem Balkon" (GU-Verlag,17,99 Euro). Sie rät, klein anzufangen, zum Beispiel mit zwei Balkonkästen. Im einen sät man Salat, im anderen Radieschen oder essbare Blüten wie Kapuzinerkresse, Borretsch, Ringelblume. Über die Blüten freuen sich auch die Bienen.
Eskalation im Garten: Wenn Maulwürfe und Schnecken das Idyll zerstören
Aber das Gießen? Ach was, das sei doch eher eine Auszeit, fast schon meditativ, findet Schattling. Dabei ist bei ihr nun wirklich viel zu gießen, auf ihrem ungemein üppig mit Obst und Gemüse bepflanzten Balkon - eigentlich ein essbarer Dschungel. (Auf dem man es wegen der Verdunstungskühle durch die Pflanzen auch in Extremsommern aushält.)
Naturbalkon geht auch elegant-zart
Ein naturhafter Balkon kann aber auch ordentlich und zart aussehen. So wie der von Katrin Wittek in der Bielefelder Altstadt. Sie hat ihren Naturbalkon nur mit insektenfreundlichen Blühpflanzen bestückt. Übrigens hatte auch sie vorher nie was mit Pflanzen am Hut. Wie es dazu kam, dass sie nun auf ihrem 6,5-Quadratmeter-Balkon 231 Pflanzen hat und trotzdem noch Platz zum Sitzen, erzählte sie auch schon in chrismon.
Das Schöne: Katrin Wittek teilt ihr Wissen freigebig auf Instagram - und ist dabei auch noch witzig. Sie hat eine Liste ihrer Top-Ten-Balkonpflanzen zusammengestellt, dazu eine Longlist aller ihrer Pflanzen - einmal alphabetisch, einmal nach Blütezeit sortiert.
Und wenn man keinen Balkon hat, nur einen tristen Vorgarten oder Hinterhof, vollgestellt mit Mülltonnen und Rädern? Auch da lassen sich kleine Oasen anlegen, findet Peter Steiger, Landschaftsarchitekt und Autor des gehaltvollen Magazins "Naturnahe kleine Gärten. Kleine Flächen sinnvoll umgestalten" (Heft 3/2020 des Naturgarten-Fachmagazins "Natur & Garten", erhältlich für 7,50 Euro, Bestellanfragen über medien@naturgarten.org ).
Oasen im rümpeligen Hinterhof
Peter Steiger weiß auch, was mit den schwierigen Schattenecken anzufangen wäre. Für einen Quadratmeter Schattengarten nehme man 100 Kilogramm guten Gartenhumus und pflanze im Herbst: Zwiebelchen von je 10 Blausternen und Märzenbechern, eine Handvoll Lerchensporn, 10 Rhizome Buschwindröschen, 3 Waldfarne, 8 verschiedene Blütenstauden aus seiner Schattenliste, etwa Waldgeißbart, Lungenkraut, Waldstorchschnabel, dazu 5 Frühblüher (wie etwa Küchenschelle, Schachbrettblume, Waldschlüsselblume); das Ganze gut angießen, möglichst nicht stören und sich jedes Frühjahr aufs Neue freuen.
Wer ein knallsonniges Garagendach hat und wenigstens gelegentlich etwas bewässert (zum Beispiel mit ausgelegtem Perlschlauch, Regenwassertank, Aquariumpumpe), findet eine Liste von empfehlenswerten Pflanzen hier. Die hat ein Forschungsprojekt an der TH Bingen zusammengestellt. Gesucht waren Pflanzen, die robust sind, heimisch oder mediterran und die über viele Wochen Insekten Nahrung bieten. Auf dieser Liste steht dann zum Beispiel der üppig hellgelb blühende kompakte Frauenmantel namens Alchemilla epipsila, die knallpinke Heidenelke (Dianthus deltoides) oder das hübsche Leinkraut (Linaria vulgaris), das manchmal bis in den Herbst hinein blüht.
Wo kriegt man insektenfreundliche Pflanzen?
Wo bekommt man nun all die insektenfreundlichen Pflanzen her? Man kann sie als Samen kaufen und großziehen, das ist preiswert und faszinierend, aber man muss sich genau an die Säanweisung halten und in Geduld üben. Ein sehr großes Angebot an heimischen Pflanzen (und an Raritäten) hat der Saatzuchtbetrieb Saatgut-Vielfalt im Südschwarzwald. Oder man kauft in kleinen Töpfen vorgezogene Pflänzchen. Mittlerweile bieten manche Gartencenter ausdrücklich als insektenfreundlich bezeichnete Stauden an. Oder man gibt in die Suchmaschine "Staudengärtnerei" ein, diese Fachbetriebe versenden auch meist. Doch, Stauden in Kartons, das funktioniert sehr gut. (Stauden sind Blühpflanzen, die im Winter oberirdisch absterben und im Frühjahr wieder neu aus ihrer Wurzel ausschlagen.)
Ein Dossier mit Tipps und Adressen zum naturnahen Gärtnern
Und wenn dann tatsächlich Insekten angeflogen kommen? Dann freut man sich an ihrer Vielfalt und lernt, sie auseinanderzuhalten. Katrin Wittek, die Balkongärtnerin aus Bielefeld, hat gute Erfahrungen gemacht mit der App "Wildbienen Id BienABest" und der App "Obsidentify". Auch das Buch "Welches Insekt ist das?" von Kosmos findet sie hilfreich, außerdem recherchiert sie viel online, zum Beispiel hier oder hier. Nicht zuletzt tauscht sie sich über Instagram aus - es gibt einfach so viele gelb-schwarz gestreift-gefleckte Insekten, all die unterschiedlichen Schwebfliegen und Wespen!
Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 11.04.2023.
Eine Empfehlung für die
Eine Empfehlung für die Kinderstunde: Das Einfache lebt davon, sich selbst zum Massstab zu machen. Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär, wär alles möglich. Auch der kleinste Schritt ist näher am Ziel. Heute am Abend pflanze ich einen Baum und morgen sieht die Welt schon freundlicher aus. Auch Chaostherie und Homöopathie leben vom WENN . Wenn vorausgesetzt, ist alles möglich. Oder ganz wild: "Wenn ich in den Himmel komm, dann sag ich dem lieben Gott aber mal die Meinung". Auch dieser innigste Wunsch lebt davon, wenn man dem "Höchsten" menschliche Züge (Eigenschaften wären doch wohl zu profan!) anerkennt, bzw. die weltlichen Probleme zu sehr vereinfacht. Die übliche wild gewordene Exegese zur mühsamen Erklärung des Unbegreiflichen bringt sich selbst um den Verstand. Sie hat den Vorteil, dass nicht zu merken. Ganz einfach: Der Glaube ist unbegreiflich.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können