Es sind über hundert Tote zu beklagen, Häuser sind weggerissen worden, Transporter und Autos schwimmen wie Spielzeug auf braunen Sturzbächen. Die Nachrichten und Bilder aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, aus Hagen oder Ahrweiler sind verstörend. Sie werden viele Menschen überfordern und ratlos zurücklassen. Es ist greifbar, dass das Klima aus dem Gleichgewicht geraten ist, hier wie andernorts auf der Welt.
Nils Husmann
Die Forscherinnen und Forscher, die mit dem Weltklimabeirat der Vereinten Nationen zusammenarbeiten, haben schon länger keinen Zweifel mehr daran gelassen, dass der menschgemachte Treibhauseffekt zu mehr Wetterextremen führen wird. Hitzesommer wie die 2018 und 2019, deren Folgen wir heute am Zustand der Wälder sehen, gehören ebenso dazu wie Starkregen. Was gestern an Regen im Westen Deutschlands und in den Nachbarländern fiel, war beispiellos. Zufall, eine Laune der Natur? Nein, das ist all das nicht mehr, sondern Physik. Wir erwärmen das Klima, die Atmosphäre kann mehr Energie aufnehmen, die sich entlädt. Es war seit Tagen absehbar, was dem Westen droht, das Videoarchiv des Deutschen Wetterdienstes gibt Auskunft.
Zeitgleich ahnt jede(r): Allein kann niemand das Klima retten, das kann uns nur überfordern. Das soll keine Entschuldigung fürs Nichtstun sein. Wir tragen Verantwortung, weil wir an Märkten agieren. Wenn wir klimaschädliche Flüge nicht mehr buchen, verbrauchsintensive Autos nicht mehr kaufen, spielt das eine Rolle. Aber nicht alle werden ihr Verhalten umstellen - eben auch, weil wir als Einzelne überfordert sind, uns machtlos fühlen.
Plötzlich entdecken viele Parteien den Klimaschutz
Es geht also vor allem um die Strukturen, in denen wir uns bewegen. Sie sind - immer noch - fossil geprägt, fußen auf der Energiegewinnung aus Kohle, Öl und Gas. Dabei gibt es die Alternativen längst; sie sind sogar preiswerter - aber es fehlte bislang der Mut, sie politisch wirklich durchzusetzen. Die jüngsten Beschlüsse zum Mindestabstand zwischen Wohnsiedlungen und Windkrafträdern - ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen - sind ein Beispiel dafür, weil sie den Ausbau von Windenergie ausbremsen.
Nach diesen Themen im Wahlkampf zu fragen, um Lösungen zu ringen und zu streiten - das ist unsere Aufgabe als mündige Bürgerinnen und Bürger.
Im Schlafwagen ins Kanzleramt, mit der klar erkennbaren Taktik, allzu konkrete inhaltliche Debatten zu meiden - das darf niemandem gelingen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel, das zeigen die verstörenden Bilder dieses Tages überdeutlich. Diese Stunden könnten den Wahlkampf entscheidend verändern. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass plötzlich viele Parteien den Klimaschutz für sich entdecken. Wir sollten sie alle fragen, wie ernst sie es wirklich meinen - und wie sie mit dem Thema in der Vergangenheit umgegangen sind.
Pietätlos,empathielos,perfide,reißerisch und dreist !
Dieser Artikel ist eine einzige pietätlose Instrumentalisierung einer Naturkatastrophe, eine empathielose und perfide Ausschlachtung menschlichen Leidens für parteipolitische Zwecke !
Selbst wenn die relevanten Ursachen für den Starkregen auf dem sog. Klimawandel beruhen sollten, die Ursachen für die Toten und für den Großteil der materiellen Schäden liegen woanders:
Im seit Jahrzehnten vernachlässigten Katastrophenschutz und in einer mangelhaften Infrastruktur - und Raumordnungspolitik.Dafür haben sich die Politker aller etablierten Parteien,einschließlich der Grünen, zu verantworten.
Konstantin von Notzing hat heute einen ähnlich reißerisch-dreisten Tweet verfaßt. Nach heftiger Kritik aus der eigenen Partei hat er ihn wieder zurückgezogen. Kirchliche Medien scheinen offenbar über eine andere Selbstwahrnehmung zu verfügen.
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Pietätvoller Leserkommentar?
Lieber Herr Querdenker, Ihr Leserkommentar ist dann wohl als pietätvoll und empathisch anzusehen. Statt sich wie im Wahlkampf üblich gegenseitig fehlende und vorhandene Pietät und Empathie um die Ohren zu hauen, zwei sachliche Richtigstellungen:
1.) Es steht außer Frage, dass der Klimawandel Häufigkeit und Stärke von Extremwetterereignissen erhöht. Von wegen also Ihr gönnerhaftes "Selbst wenn die relevanten Ursachen für den Starkregen auf dem sog. Klimawandel beruhen sollten"
2.) Auch die neuerdings etablierte Partei AfD unterscheidet sich nicht von den konkurrierenden schon länger etablierten Parteien darin, dass sie die Gründe für die Gefährdung der Lebensgrundlagen korrekt benennen würde. Die heiße Wahl zwischen den Moralisten, nicht nur bei den Grünen, die "die Menschen" als Übeltäter ausmachen und denen, die leugnen, dass es hier überhaupt etwas auszumachen gäbe, ist sehr typisch für die gängigen politischen Debatten. In Wahlkampfdebatten dann mit entsprechendem Schmackes angereichert.
Fritz Kurz
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