Im Januar 2021, da waren weltweit 2,2 Millionen Menschen an der Pandemie gestorben, sprach sich Tansanias Präsident John Magufuli erneut gegen Impfungen aus und empfahl, Gott zu vertrauen. Bereits im Mai 2020 hatte das ostafrikanische Land Corona-Tests ausgesetzt. Stattdessen hatte Magufuli die 58 Millionen Tansanier zu einem dreitägigen Gebetsmarathon aufgefordert und behauptet, Gott werde sein Land vor der Pandemie schützen. Nun ist er tot; die Opposition mutmaßt, er sei an Corona gestorben.
Die neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan kündigte gleich eine Kehrtwende an: Sie erkennt die Existenz des Virus an und verspricht Impfungen. Doch bis sie dies einlösen kann, wird es dauern. Denn bislang hat Tansania keine Impfstoffe bestellt, und der Kampf um die Impfdosen, die nach Afrika geliefert werden, wird so erbittert geführt, dass manche Präsidenten, Gesundheitsexpertinnen und Aktivisten von "Impfstoffapartheid" sprechen. Der Chef der afrikanischen Gesundheitsbehörde CDC, John Nkengasong, nannte die Verteilungslogistik gar einen Impfkrieg.
Andrea Jeska
Während sich die Leute in Deutschland überlegen, ob sie Astrazeneca oder Biontech/Pfizer wählen sollen, laufen die Impfungen auf dem afrikanischen Kontinent nur langsam an – Lieferengpässe, Probleme mit Kühlung und Transport und ein Mangel an Akzeptanz. Südafrika hat seine Impfkampagne bereits zweimal verschoben. Erst weil Astrazeneca nicht wirksam genug gegen die dortige Variante des Virus sei, dann weil die Impfstoffauslieferung des US-amerikanischen Konzerns Johnson & Johnson gestoppt wurde.
Um die Erwachsenen auf dem gesamten Kontinent zu impfen, bräuchte es 1,5 Milliarden Impfdosen. Geliefert wurden nach unterschiedlichen Angaben bislang 14 bis 18 Millionen, etwa nach Südafrika, Ghana, Nigeria und Ruanda. Die WHO schätzt, dass bis Ende 2021 30 Prozent aller Afrikaner:innen geimpft sind. Vielleicht auch weniger, niemand weiß, wie viel Impfstoff bis dahin erhältlich ist.
Darum, dass Covid-19-Impfstoffe, -Tests und -Medikamente weltweit gerecht verteilt werden, kümmert sich die Covax-Initiative, eine Art Einkaufsgemeinschaft, in der wohlhabende Länder Impfstoffe für arme Länder kaufen. Sie wird geleitet von den Vereinten Nationen und unterstützt von 190 Staaten. Covax will bis Ende des Jahres 330 Millionen Impfdosen an 145 Staaten verteilt haben, weltweit betrachtet ist das natürlich nicht viel.
70 Prozent der Impfstoffe sind bislang in Ländern mit dem meisten Geld angekommen
Begründet wurde Covax mit der Idee, Impfgerechtigkeit zu schaffen. Alle Staaten der Welt, so der Grundgedanke, sollen gleichermaßen Zugang zu Impfstoffen haben. Doch dieses Bemühen scheitert, weil jedes Land auf allen möglichen Wegen versucht, an Impfstoffe zu kommen. Reiche Länder haben bilaterale Verträge mit den Herstellern abgeschlossen und große Chargen bestellt, Covax hat das Nachsehen. Und: Alle Länder können über die Covax-Initiative Impfstoffe beziehen, und auch reiche Staaten wie Kanada und Singapur kaufen dort große Mengen ein, weil es günstiger ist als direkt beim Hersteller. Auf diese Weise sind 70 Prozent der weltweit vorhandenen Impfstoffe bislang in Ländern mit dem meisten Geld angekommen, während laut einer Studie des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds nur 0,1 Prozent der Impfstoffe in den ärmsten Ländern verabreicht wurden.
In den vergangenen Wochen seien durch die Covax-Initiative kaum noch Impfdosen verteilt worden, berichtet Unicef. Es gibt auf dem Weltmarkt einfach nicht genug Vakzine zu kaufen – weil reiche Staaten so viel vorbestellt haben.
Patentschutz aufheben?
Was also tun? Man könnte Impfstoffe auf dem afrikanischen Kontinent herstellen. Südafrika hat mit dem US-amerikanischen Pharmaunternehmen Johnson & Johnson bereits ein Abkommen geschlossen, in Lizenz zu produzieren. Um aber Impfstoffe durch andere als die jetzigen Player herstellen zu lassen, müsste der Patentschutz – vorübergehend – aufgehoben werden. Das befürworten nun auch manche westliche Länder wie die USA, nicht aber die Pharmaunternehmen. Letztere geben dafür viele Gründe an: Zwar haben sie staatliche Fördergelder für die Entwicklung des Covid-19-Impfstoffes erhalten, weltweit 7,4 Milliarden Euro, doch "dafür verkaufen die Unternehmen die Chargen zu günstigen Preisen", sagt Rolf Hömke, Sprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller. Um Unternehmen mit Know-how, Technik und ausgebildetem Personal auszurüsten, brauche es Jahre, Zeit, die man nicht habe. Zudem, so Hömke, würden Geldgeber abgeschreckt, in Forschung gegen die nächste Pandemie zu investieren. "Und die Patente sind die Garantie für Investoren auf einen Return."
Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, sagt dagegen: "Gott hat den Menschen geschaffen zu seinem Bilde. Nicht den Deutschen, den Europäer, den Amerikaner. Den Menschen! Deswegen kann es nicht sein, dass Menschen im einen Teil der Welt Schritt für Schritt geimpft werden und in anderen Teilen der Welt kein Impfstoff zur Verfügung steht. Wenn wir ernst nehmen, dass die Menschenwürde allen gilt, folgt daraus der Einsatz für Impfgerechtigkeit weltweit."
Die Zahl der Hungernden steigt
In vielen Ländern Afrikas führte der Lockdown dazu, dass Straßenhandel verboten wurde, Märkte geschlossen und viele Menschen arbeitslos wurden. Die Zahl der Hungernden steigt. Jeder Monat ohne Impfungen wird diese Situation verschärfen, zumal viele internationale Hilfsprogramme wegen der Pandemie eingestellt sind. "Ohne verstärkte Hilfe werden 2021 allein in sechs Krisenländern in Afrika und im Jemen 10,4 Millionen Kinder an akuter Mangelernährung leiden", heißt es in einem Unicef-Bericht.
Auch deswegen fordern afrikanische Staatschefs und Wissenschaftler, Vakzine in Lizenz produzieren zu können. Ghana will eine landeseigene Impfstoffproduktion aufbauen. Präsident Nana Akufo-Addo sagte in Interviews, sein Land habe geeignete Wissenschaftler und Unternehmen.
Auf der zu Tansania gehörenden Insel Sansibar boomt zurzeit der Tourismus. Trotz der Kehrtwende in der Corona-Politik behauptet die Regierung weiterhin, die Insel sei coronafrei. Masken? Abstand? Nichts von dem.
Wie viel Impfstoff Afrika braucht:
1,37 Milliarden Menschen
753,5 Millionen Menschen über 18
1,57 Milliarden Impfdosen benötigt
(bei 2 Impfungen pro Person)
Bereits geliefert:
14 bis 18 Millionen
(Stand: Mitte April 2021)
Sehr geehrte Damen und Herren
Sehr geehrte Damen und Herren,
auf Seite 25 wird Herr Bedford-Strohm wie folgt zitiert: "Deswegen kann es nicht sein, dass Menschen im einen Teil der Welt Schritt für Schritt geimpft werden und in anderen Teilen der Welt kein Impfstoff zur Verfügung steht."
Ist dieser Vorwurf an die Akteure in der Politik so zu verstehen, dass Herr Bedford-Strohm, wenn er es beeinflussen könnte, hierzulande weniger impfen würde und den so eingesparten Impfstoff ärmeren Ländern zur Verfügung stellen würde? Nach welcher Ethik würde er dann entscheiden, wer in Deutschland mangels Impfung erkranken oder sterben soll, damit in einem anderen Land - ganz nebenbei: in welchem von den vielen? - Menschen dieses Schicksal erspart bleibt? Eine schwierige Frage, die Antwort wird erhellend sein.
Die Akteure in der Politik verhalten sich in dieser Frage übrigens völlig korrekt. Durch ihren Amtseid sind sie dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet und entsprechend handeln sie. Einen Vorwurf verdienen sie dafür nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Lothar Stöckbauer, Mannheim
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Liebe chrismon-Damen und
Liebe chrismon-Damen und Herren,
angeregt durch Ihren Artikel auf Seite 22/23 in chismon 06.2021 möchte ich hinweisen auf die Webseite www.covax-access.de.
Diese Initiative ist entstanden durch einen Karlsruher mittelständischen Unternehmer, Gerhard Büchele. Die Impfungleichheiten und Ungerechtigkeiten lassen ihm keine Ruhe. Er hat Freunde um sich gesammelt, mit denen zusammen ereinerseits das öffentliche Bewusstsein für dieses Problem stärken will, andrerseits Spenden sammelt, um die Impfungen weltweit zu fördern.
Ein Interview mit ihm oder ein Gespräch oder ein Kontakt mit ihm wäre für die chrismon-Leser interessant. Oder wenigstens ein Hinweis auf oder ein Bericht über diese Inititave.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Achtnich, Karlsruhe
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