Pfarrer Michael Führer und Pfarrerin Josephine Teske zeigen ihre Talare
Patrick Desbrosses
Über das Pfarramt und digitale Seelsorge
Popsongs in der Bäckerei
Die digitale Seelsorgerin spricht auf Instagram mit Menschen über ihren Glauben. Der Pfarrer aus Dresden hatte analog genug zu tun – bis vor kurzem
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
privat
29.04.2020
11Min

chrismon: Frau Teske, wofür sollten Sie zuletzt in der Hölle schmoren?

Josephine Teske: Ich glaube, mal wieder dafür, dass ich sage, dass homosexuelle Menschen nicht krank sind. Dass sie genauso Christen sind und getraut werden dürfen. Manche Posts klingen so perfide nett: "Ich bete für dich und deine Gemeinde, die mit dir in die Hölle geht."

Werden Sie auch in Diskussionen in den sozialen Medien verwickelt, Herr Führer?

Michael Führer: Nein. Das Internet nutzen wir nur, um kirchliche Angebote bekanntzumachen und einzuladen. Ich bin nicht in Diskussionsforen aktiv.

Es kam einfach nicht dazu oder wollen Sie nicht?

Führer: Ich bin da nicht selbstverständlich hineinge­wachsen. Es gibt sogar vieles, was mich interessiert, aber ich habe analog genug zu tun.

Instagram kostet viel Zeit, oder?

Teske: Ja. So zwei bis drei Stunden am Tag bin ich damit beschäftigt. Das ist in meinem ersten Dienstjahr entstanden. Ich war geschäftsführende Pastorin. Ich war Teamvorgesetzte, musste mich um die Verwaltung kümmern, um Bausachen und hatte keine Ahnung von gar nichts. Und bekam kaum noch den Kopf frei, den Gottesdienst vorzubereiten, ich habe das Geistliche sehr vermisst. Da habe ich angefangen, auf Instagram zu posten – und gemerkt, dass ich dort mit Menschen in Kontakt komme und wir über Glauben und über Gott reden können. Das sind Leute, denen die Kirche fremd ist, obwohl sie getauft sind.

Patrick Desbrosses

Josephine Teske

Josephine Teske, 33, ist Pastorin in Büdelsdorf am Nord-Ostsee-Kanal, ­alleinerziehende ­Mutter und begeisterte Insta­gram-Nutzerin. Außerdem gehört sie zu den "Sinnfluencern" bei "yeet", dem neuen Netzwerk der ­evangelischen Kirche (@seligkeitsdinge). Und sie predigt auch schon mal in der ­Bäckerei statt in der Kirche.
Patrick Desbrosses

Dr. Michael Führer

Michael Führer, 62, ist Pfarrer der ­Kirchengemeinde ­Dresden Gruna-­Seidnitz. Er wuchs als Pfarrerskind in der DDR auf. Sein erstes Pfarramt war in ­Zschopau im Erzgebirge, er war Rektor eines Missionshauses und Superintendent. Nach einem Auslandsaufenthalt in Griechen­land kehrte er 2012 nach Sachsen ­zurück. Er ist mit der Autorin Caritas Führer verheiratet ("Die Montags­angst", List Taschenbuch 2012, 304 S., 9,99 €). Das Paar hat drei Söhne und drei Enkelkinder.

Was sagt Ihre Gemeinde dazu?

Teske: Die folgen mir inzwischen fast alle. Ich habe immer Angst, dass sich die Gemeinde vernachlässigt fühlt, ich arbeite 150 Prozent. Die Gemeinde sagt, ich soll auf mich aufpassen. Sonst ist meine Gemeinde, glaube ich, sehr stolz.

Führer: Man kann nicht 150 Prozent arbeiten. Wenn Sie das sagen, dann drückt sich darin für mich das Gefühl aus, jederzeit allen zur Verfügung stehen zu müssen. So lässt man sich auslaugen, obwohl man am Ende auch nicht länger für die Gemeinde da ist. Wenn jemand bei einem Gespräch mit mir das Smartphone mit dem Bildschirm nach oben vor sich legt, bitte ich darum, das Gerät auszuschalten. Man muss die Zeit möglichst störungsfrei halten.

Was sagen denn Ihre Kolleginnen und Kollegen zu Ihrer Aktivität auf Instagram, Frau Teske?

Teske: Die müssen sich auch erst an das Medium ge­wöhnen, da gibt es schon ab und zu Konfliktsituationen – wenn sie nicht wissen, weshalb ich dort zeige, dass es mir heute schlecht geht, nach einer schweren Beerdigung. Für die ist das etwas sehr Persönliches, für mich auch, aber ich weiß: Ich helfe dann anderen Menschen, die sich nie trauen würden, über ihre Gefühle zu reden.

Führer: Wenn Sie das sagen, merke ich, dass mich die DDR-Sozialisierung bis heute prägt. Ich überlege genau, was von meinen Gedanken ich wie veröffentliche. Es gibt vieles, was mir wirklich wichtig ist, und manchmal hat das keinen zu interessieren. Es bleibt bei mir.

"Ich habe ja nicht meine Gefühlslage zu ver­kündigen" - Michael Führer

Teske: Filter gibt es bei mir selbstverständlich auch. Die Leute denken, sie begleiten mich den ganzen Tag oder ­wissen alles über mich, aber das stimmt natürlich nicht.

Wo ist denn Ihre Grenze?

Teske: Mein Liebesleben. Meine Kinder. Manchmal er­zähle ich Anekdoten über sie, aber nichts, was sie ­blamieren würde. Auf Instagram zeigt man viel von sich, gibt viel preis. Wenn man anderen Müttern folgt, dann merkt man das auch. Nur wir in der Kirche machen uns noch mal anders Gedanken, weil eben auch ein Amts­verständnis damit verbunden ist.

Herr Führer, wie bringen Sie Ihre Gefühle im Beruf unter?

Führer: Ich habe ja nicht meine Gefühlslage zu ver­kündigen, sie muss auch nicht Gesprächsgegenstand sein. Aber manchmal verdichten sich eigene Erfahrungen, und dann wird’s vielleicht interessant. Zum Beispiel: Ich weiß, wie mühsam es ist, Angehörige zu pflegen. Wenn ich im Vorbereitungsgespräch für eine Beerdigung eine Schwiegertochter sehe, die hin und her rutscht, dann versuche ich, Brücken zu bauen und sage: In so einer Situation darf man auch zugeben, dass es gut ist, dass jetzt mal Schluss damit ist. Das entlastet. Und da bekommt das, was ich mal gefühlt habe, eine Funktion in der Kommunikation.

Und wenn Sie doch mal überwältigt sind?

Führer: Wenn sich etwas Trauriges ergibt und die Stimme wackelt, dann ist das nicht komfortabel, weil ich ein Stück Souveränität und Routine plötzlich nicht mehr zur Ver­fügung habe. Aber ich lebe sehr bewusst damit.

Teske: Im Trauergespräch drücke ich natürlich auch ­niemandem meine Gefühle auf. In meiner Gemeinde ­spielen meine Gefühle keine Rolle.

Aber einige Ihrer Follower sind ja aus Ihrer Gemeinde!

Teske: Da kann es ein Türöffner sein. In der digitalen Kirche möchte ich ja etwas ganz anderes bezwecken. Da möchte ich entmystifizieren. Meine Follower haben oft ein verdrehtes Bild von uns Pfarrpersonen. Manche fragen: Darfst du Sex haben, darfst du heiraten, darfst du Kinder kriegen? Andere sagen: Dein Leben ist ja wahrscheinlich perfekt, und am Sonntag nach dem Gottesdienst trinkst du Tee und deine Kinder spielen für dich Musik. Alles wunderbar und harmonisch in den Pfarrfamilien.

"Leute sehen, dass ich kein abge­hobenes Wesen bin" - Josephine Teske

Führer: Das ist mir nie passiert. Wer fragt denn so etwas?

Teske: Es passiert mir immer wieder. Oder dass Kirche verstaubt sei und wir gar nicht wüssten, wovon wir reden. Auf Instagram höre ich aber auch Leute, die sagen: Das hätte ich gar nicht gedacht, dass Kirche so cool sein kann.

Führer: Ich erlebe eine erstaunliche Normalität und eher Neugier und manchmal, wenn’s gut geht, Überraschung.

Frau Teske, Sie schreiben vor Weihnachten, Sie seien total ausgebrannt. Muss ich das wissen? Das sagt eine Lehrerin auch nicht, sie soll ja unterrichten.

Teske: Mir folgen Kollegen, denen ging es vor Weih­nachten auch dreckig. Oder alleinerziehende Mütter, die überfordert sind. Die sagen: Danke, dass du das zugibst. Ich dachte, ich bin allein mit dem Gefühl. Ich bin die einzige Mutter, die ihre Kinder anschreit.

Führer: Wenn ich privat unterwegs bin, mich in einer ­Konzertpause unterhalte oder vorm Kino stehe, spielt mein Beruf für meine Mitmenschen eigentlich keine Rolle.

Teske: Meine beiden Kinder sind in die Kita meiner ­Gemeinde gegangen. Ich bin jetzt vier Jahre in der Kleinstadtgemeinde, die Mütter haben fast nie mit mir gesprochen. Nicht mal Small Talk war möglich, obwohl ich eigentlich gut zugänglich bin. Nun folgen mir die Kitamütter auf Instagram und kommen morgens und sagen: Oh Fine, du hattest Stress am Wochenende? Ich habe auch gerade totalen Stress und meine Tochter zieht sich auch morgens fünfmal um. – Leute sehen, dass ich kein abge­hobenes Wesen bin, keine Frau, die alles im Griff hat.

Führer: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass jemand in mir etwas Abgehobenes sehen sollte. Ich habe eine Aufgabe, eine Rolle auszufüllen. Unabhängig davon, ob ich das jederzeit gern mache oder ob ich mich dabei wohlfühle.

"Wir müssen viel offener sein für das, was in der Welt vor sich geht" - Teske

Teske: Und wie ging es Ihnen früher, als junger Pastor?

Führer: In den Pfarrdienst musste ich erst hineinwachsen.

Teske: Genau! Und ich bin dabei.

Frau Teske, wenn Sie sich viel ältere Kollegen an­schauen, gibt es da Dinge, die Sie wundern?

Teske: Manche Kollegen lassen sich noch von der Pfarr­amtssekretärin die Predigt abtippen. Andere können nichts aus der Hand geben, sie wollen alle Fäden in der Hand behalten.

Führer: Geht es da um Macht oder um Verantwortung? Manchmal ist es ja hilfreich, dass eine Galionsfigur dabei ist. Oder dass sich einer den Hut aufsetzt.

Teske: Aber muss das denn der Pfarrer sein?

Führer: Nein, das muss es nicht.

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Von was für einer Kirche träumen Sie?

Teske: Wie oft haben wir Luther zitiert: "Dem Volk aufs Maul schauen"? Wir müssen noch viel offener sein für das, was in der Welt vor sich geht. Es reicht nicht, dass wir neue Familiensysteme, Homosexualität oder überhaupt andere Lebensweisen akzeptieren. Wir müssen sagen: Ja, ihr seid uns willkommen in der Kirche.

Führer: Interessant, dass Ihnen das so wichtig ist, "in der Welt" zu sein. Das hätte ich mir nicht auf die Fahne geschrieben, weil es so selbstverständlich ist. Meine Umwelt in der DDR, in der ich aufgewachsen bin, war säkular bis auf die Knochen. Bei fast jeder Trauung, jeder Be­erdigung habe ich mit Menschen gesprochen, denen Kirche und Glaube weithin fremd waren. Ich wollte in diesem ­Beruf andere in meine Beziehung zu Gott einladen, weil es ­trös­tet oder entlastet und die Hoffnung nährt.

"Nehmen wir das Wort Gottes im Lärm unserer Tage noch wahr?" - Führer

Und heute?

Führer: Für mich ist auch heute das, was in der Luft liegt, nicht automatisch ein Arbeitsauftrag und nicht immer gleich Gegenstand von Verkündigung. Dafür liegt zu viel in der Luft. Am 13. Februar marschierte in Dresden ­wieder die NPD auf anlässlich des Jahrestags der Zerstörung, ­dazu die Gegendemos, die ein wahrhaftiges Erinnern einfordern. Die Musik der einen Seite sollte die der anderen übertönen, Wagner gegen Rockmusik. Und dann die gegenseitigen Beleidigungen! Ich habe mich auch bei der Gegendemo nicht heimisch gefühlt. Am Sonntag musste ich beim Predigen daran denken. Es ging darum, ob wir überhaupt noch das Wort Gottes hören, ob wir es noch wahrnehmen im Lärm unserer Tage.

Frau Teske, Sie kommen aus der Uckermark. Wie ­wuchsen Sie auf?

Teske: Ich war die einzige Christin in der Klasse, meine Heimat war die Gemeinde. Ich war stolz drauf zu sagen: Ich bin Christin! Ich glaube! Das war Abgrenzung, aber es hat mich auch im Glauben gestärkt. Und es hat mir gezeigt, wie wichtig die Gemeinschaft ist. In meiner Heimatgemeinde haben wir zusammen was gewollt. Wir haben gefühlt meine ganze Kindheit für die Restaurierung des Teppichs vorm Altar Kollekte gesammelt, und dann haben wir es als Gemeinde zusammen geschafft!

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Und wie ist das jetzt?

Teske: Das Vikariat in Schleswig-Holstein war für mich ein Kulturschock. Volkskirche eben. Da ist man Mitglied, weil die Familie es immer schon war. Und die Menschen wissen trotzdem kaum, wovon ich spreche. Heute sehe ich das so wie Sie früher: als große Chance. Ich will vom Glauben so sprechen, dass Menschen für sich etwas damit anfangen können.

Herr Führer, Sie kommen aus einer Pastorendynastie. Christian Führer zum Beispiel, der Pfarrer von den ­Friedensgebeten in Leipzig im Oktober 1989, war Ihr Cousin. Gab es da auch Erwartungen aus der Familie?

Führer: Erwartungen nicht, aber eine Prägekraft. Für die liturgische Präsenz habe ich manches mit der Muttermilch eingesogen und war zum Beispiel als junger Pfarrer, frisch von der Universität, nie versucht, intellektuell über die Köpfe der Gemeinde hinwegzupredigen und quasi mit einem Stapel Bücher unterm Arm auf die Kanzel zu ­gehen. Ich musste mich aber auch zusätzlich weiterbilden.

"Ich feiere auch andere Gottesdienste als die am Sonntag­morgen" - Teske

Teske: Haben Sie sich auch von Ihrem Vater abgegrenzt?

Führer: Ich bin 1989 ins Pfarramt gegangen, da war schnell klar, dass die Arbeit in diesem Beruf mit dem, was mein Vater gemacht hat, nur noch wenig zu tun hat. Mit dem politischen Systemwechsel haben sich die Arbeitsbe­dingungen dramatisch verändert. Schon technisch. Da war der erste Kopierer 1991 eine Revolution!

Und wie hat sich der Beruf gewandelt?

Führer: Ich hätte mir in den 80er Jahren nicht vorstellen können, dass jemand Theologie studiert, der sagt: "Mit Gebet und mit Ostern kann ich nichts anfangen." Ich habe in den vergangenen Jahren Osterpredigten gehört, die damals noch als Hindernis für den Pfarrdienst gegolten hätten. Ich kann dem allerdings auch etwas abgewinnen. Es ist wohltuend, Zweifel und Unsicherheiten einbringen zu dürfen, ohne dass man sich von der Gemeinschaft entfernt.

Frau Teske, Sie tragen oft eine Jacke mit den Symbolen aller Religionen. Ist es egal, welche Religion man hat?

Teske: Für mich gibt es nur den einen Gott, unseren Gott. Jeder weiß, dass ich Pfarrerin bin und an Jesus Christus glaube. Aber dennoch kann ich andere Religionen akzeptieren, und wir müssen mit anderen Religionen ja auch friedlich nebeneinander leben können. Wir müssen zum Beispiel immer wieder zeigen, dass Antisemitismus in ­unserer Kirche keinen Raum hat.

Führer: Die Jacke habe ich mir im Internet angesehen. Ich würde sie nicht tragen. Niemand weiß, dass ich Pfarrer bin, wenn ich nicht im Talar irgendwo stehe. Wenn ich gefragt werde, kann ich davon sprechen, dass ich als Christ lebe und deshalb selbstverständlich andere als Mit­menschen akzeptiere und respektiere. Aber ich bin nur Fachmann für Fragen des Christentums. Und wenn ich mich punktuell mit anderen Religionen beschäftige, bin ich in der Regel sehr froh, dass ich Christ bin. Ich habe auch Affinitäten zu dem, was aus dem katholischen Bereich kommt. Zweimal im Jahr feiere ich in unserer Ortsgemeinde sogar eine evangelische Messe nach alter kirchlicher Tradition, im weißen Gewand und mit gregorianischen Gesängen.

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Frau Teske, Ihre Follower stellen Fragen zum Gottesdienst. Manche wundern sich, dass man sich da an­fassen soll nach dem Abendmahl, dass sie Lieder singen sollen, die nicht auf der Tafel angezeigt sind . . .

Teske: Ja, daraus lerne ich viel! In unserer Kirche sitzen die Seniorinnen und die Konfirmanden. Beide sollen sich wohlfühlen. Wenn ich dann aber solche Fragen bekomme von Menschen, die gar nicht verstehen, was wir da singen, dann muss ich vielleicht ganz anders erklären. Also feiere ich auch mal andere Gottesdienste als die am Sonntag­morgen. Zum Beispiel in einer Bäckerei, wo man essen und trinken und auch mal Popsongs singen kann.

"Ich sage uneingeschränkt Ja zum Sonntagsgottesdienst" - Führer

Führer: Solche Fragen kenne ich natürlich auch. Die Volkssolidarität, eine soziale Hilfsorganisation aus DDR-Zeiten, veranstaltet zum Beispiel eine Art Fragestunde: "Was ich den Pfarrer schon immer mal fragen wollte". Aber da geht es mehr um Allgemeines, was zum christlichen Glauben gehört, nicht so sehr um den Gottesdienst. Da wünschen sich die Menschen verlässliche Strukturen und Impulse aus der Bibel.

Teske: Gerade denke ich an einen Gottesdienst, den ich mit einer Konfirmandin gefeiert habe, die sonst im Unterricht sehr still ist. Sie flüsterte mir zu: Kann ich gleich den ­Segen sprechen? Und ich sagte: O. k., probier’s! Sie hat das gemacht. Nachmittags schrieb sie mir eine Nachricht: Fine, ich bin so stolz auf mich! Das will ich noch mal machen.

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Was wird aus dem Sonntagmorgensgottesdienst?

Teske: In 20 Jahren werden die allermeisten meiner ­Gottesdienstbesucherinnen nicht mehr sein. Insofern ist die Frage berechtigt. In unserer Stadt leben viele junge Familien. Beide Eltern arbeiten, die müssen Hauskredite abzahlen, manche sind Pendler, und Sonntagmorgen ist vielleicht die einzige Zeit, wo sie für sich sein können. Ich glaube, wir müssen davon abkommen, einen Gottesdienst für alle machen zu wollen. Vielleicht mehr Eventgottesdienste: Valentinstag in der Bäckerei.

Führer: Den Anspruch, dass der Gottesdienst prinzipiell für die ganze Gemeinde da ist, halte ich für sehr schön. Ich sage uneingeschränkt Ja zu dem Format, auch wenn wir ihm in der Praxis schon lange nicht mehr gerecht werden können. Die Uhrzeit zu ändern, hilft nicht. Wer um zehn fernbleiben will, kommt auch nicht nachmittags um drei.

Nebenbei gefragt

Herr Führer, sagten Sie nicht mal, mit Internet hätten Sie kaum was zu tun?

Michael Führer: Ja, und jetzt in der Corona-Krise betreue ich unsere Internet­seite, schreibe Gebete, stelle Predigten ins Netz. Ironie des Schicksals.

Helfen Sie auch noch analog?

Wir halten die Kirche offen. Vieles läuft auch über Telefon. Wir leihen auch Spiele aus, geben Bastel­material raus. Ein Kreis von 50 Helfern ruft Menschen an, die jetzt einsam sind und Hilfe brauchen.

Wollten Sie nicht verreisen?

Wir können ja nicht. Also setze ich mich in unser Reisemobil und höre Musik. Das fühlt sich auch so an wie Urlaub.

Frau Teske, gut, dass Sie einen Pfarrgarten haben, oder?

Josephine Teske: Ja, die Kinder spielen draußen. Der Große hat schulfrei. Aber die Aufgaben sind längst nicht so viel, wie wenn er zur Schule muss. Vormittags denke ich mir immer Übungen für ihn aus.

Und Instagram?

Da läuft mein Herz-Netzwerk. ­Morgens um 7.30 Uhr wird Musik gepostet, am Mittag ein geist­licher Impuls, Lieder, Gebete, auch Spiele-Ideen, Rezepte, was immer. Und abends ein Gebet.

Und analog?

Seelsorge, auf dem Parkplatz vom Supermarkt, am Gartenzaun, überall.

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So "modern" Frau Teske sich gibt, wird eine Kirche ihres Models keine Zukunft haben. Da sollten wir auf die Kirchen schauen, die in allen Stürmen der Zeit überdauerten, ohne zur Sekte zu werden. Es war und ist die Liturgie, die durch alle Zeiten hindurch die Gläubigen verbindet. Das lehren uns die Kirchen der Orthodoxie sowie der Altorientalen. Auch die katholische Kirche gehört dazu.
Wer meint mit "Events" den Glauben zu festigen, der täuscht auf die Dauer sich selbst und seine "Kunden".

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Ich bin von Frau Teske begeistert und sie bringt mir und vielen anderen die Kirche, den Glauben näher. Diesen Weg kann ich (übrigens 59) mitgehen, ich bekomme auch so viele Anregungen mich mit dem Glauben zu beschäftigen. Und - die Jacke ist top!!! Chapeau, die zu tragen.